Die Koalitionäre in spe von SPD, Grünen und FDP haben sich den Abbau von Bürokratie zum Ziel gesetzt – nicht zuletzt in der Wirtschafts- und Forschungspolitik. Die drei Partner wollen die Innovationsförderung und -finanzierung entbürokratisieren, wie aus dem am vergangenen Freitag am Ende der Sondierungen von ihnen präsentierten Papier hervorgeht.
Ampel will Bürokratie kräftig abbauen – auch bei Innovationsförderung
Die Koalitionäre in spe von SPD, Grünen und FDP haben sich den Abbau von Bürokratie zum Ziel gesetzt – nicht zuletzt in der Wirtschafts- und Forschungspolitik. Die drei Partner wollen die Innovationsförderung und -finanzierung entbürokratisieren, wie aus dem von ihnen am Ende der Sondierungen präsentierten Papier hervorgeht.
Im Verlauf der Koalitionsverhandlungen und danach wird nun mit Spannung erwartet, wie dieses Ziel konkret ausgestaltet werden soll. In Anlehnung an das Wahlprogramm der SPD findet sich im Sondierungspapier die KfW als möglicher Motor von Neuerungen wieder. Die Förderbank soll stärker als „Innovations- und Investitionsagentur wirken“, wie es heißt.
Ausgegeben wird von SPD, FDP und Grünen in ihrem Sondierungspapier auch das Ziel von mehr Ausgründungen aus Forschungsinstituten.
Von einer neuen Organisation für den Forschungstransfer wie sie Grüne und FDP in ihren Wahlprogrammen anregten, ist nicht die Rede. So heißt es lediglich Projekte wie die Bundesagentur für Sprunginnovation „wollen wir weiter ausbauen“.
Die drei Partner bekräftigen das Ziel der bisherigen Bundesregierung, den Anteil von Forschung und Entwicklung am Bruttoinlandsprodukt auf 3,5 Prozent zu steigern, nach 3,2 Prozent im Jahr 2019.
Auch die beiden kleineren Parteien schicken landespolitische Prominenz in die Verhandlungen der Ampel zur Innovations- und Forschungspolitik.
Bekanntlich entfallen gut zwei Drittel dieses FuE-BIP-Beitrags auf die Wirtschaft. Auf deren Beitrag wird es also maßgeblich zur Erreichung des Ziels ankommen. Gleichzeitig sind die staatlichen Ausgaben für Forschung und Entwicklung in den vergangenen Jahren auf immer neue Rekorde geklettert, ohne dass dies aber zu einer spürbaren Erhöhung der Innovatorenquote im Mittelstand geführt hätte – dem Gradmesser für eine breite Teilhabe von KMU am Innovationsgeschehen in Deutschland und für gelingenden Transfer im Mittelstand.
Das Thema dürften die Verhandlungspartner bei den Koalitionsverhandlungen beschäftigen. So erklärte Thomas Losse-Müller, Leiter des SPD-Teams für Innovation, Wissenschaft und Forschung:
Thomas Losse-Müller aus Schleswig-Holstein leitet die Ampel-Arbeitsgruppe Forschung für die SPD. Photocredit: Pepe Lange
„Deutschland ist in der Grundlagenforschung in vielen Bereichen sehr gut. Aber zu selten entwickeln wir daraus konkrete Produkte und Geschäftsmodelle, um Wohlstand und neue Arbeitsplätze zu schaffen.“
Losse-Müller ist SPD-Spitzenkandidat für die Landtagswahlen in Schleswig-Holstein im kommenden Jahr. Er bringt Erfahrung aus der Wirtschaft, so als Unternehmensberater, und aus der Weltbank in seinen Job im hohen Norden ein. Der Volkswirt lehrt aktuell auch an der Hertie School. Zur SPD wechselte Losse-Müller erst vor rund einem Jahr, nachdem er zuvor den Grünen angehörte.
Neben Losse-Müller bringt die Wahlgewinnerin mit der Brandenburger Wissenschaftsministerin Manja Schüle und mit Michael Müller, dem in den Bundestag gewählten, noch amtierenden Regierenden Bürgermeister von Berlin, Personal mit starkem landespolitischen Profil in die Verhandlungen ein, zudem die Bundestagsabgeordnete Wiebke Esdar aus NRW.
Verhandlungsteams stehen
Mit der Hamburger Senatorin Katharina Fegebank und der hessischen Wissenschaftssenatorin Angela Dorn für die Bündnisgrünen sowie Dr. Lydia Hüskens von der FDP, Ministerin für Infrastruktur und Digitales in Sachsen-Anhalt, schicken auch die beiden kleineren Parteien landespolitische Prominenz in die Verhandlungen der Ampel zur Innovations- und Forschungspolitik.
Aus dem Bundestag sind für die FDP der forschungspolitische Sprecher Thomas Sattelberger und Hochschulfachmann Dr. Jens Brandenburg am Start, für die Grünen der bisherige innovationspolitischen Sprecher Dieter Janecek aus München, der dort fast ein Direktmandat errang, sowie der NRW-Abgeordneten Kai Gehring. Letzterer ist Co-Autor eines Papiers, das auch seine Kollegin Anna Christmann mit verfasste, in der eine neue Forschungsorganisation namens D.Innova gefordert wird, ein Vorstoß, den zu früheren Zeiten unter dem Label einer DTG auch die FDP schon einmal unternommen hatte. Christmann sitzt im Ampel-Verhandlungsteam zum Thema Digitales, ebenso wie die FDP-Politiker Mario Brandenburg und Manuel Höferlin.
Wer indes im Bundestag an wichtigen Schaltstellen für die Forschungs- und Innovationspolitik sitzen wird, entscheidet sich erst mit Abschluss der Koalitionsverhandlungen. Denn erst dann können die Ausschüsse des Parlaments und mit ihnen deren Vorsitzende und Obleute bestimmt werden.
Digitales als Handlungsfeld
In der Digitalpolitik haben die drei Parteien einen inhaltlichen Schwerpunkt gesetzt, wo Entscheidungen auch deshalb leichter fallen dürften als z.B. beim Klimaschutz, da sie zumindest teilweise wenig kostenintensiv sein dürften. So heißt es im Sondierungspapier der Ampel, die digitalpolitische Strategie der Bundesregierung werde neu aufgesetzt (u.a. KI-Strategie, Datenstrategie, Blockchain-Strategie). Kompetenzen in der Bundesregierung würden neu geordnet und gebündelt. Im Bildungsbereich sollen Länder und Kommunen dauerhaft bei der Digitalisierung unterstützt werden. Insbesondere Start Ups und der Mittelstand sollen von einem verbesserten Datenzugang profitieren, um neue Geschäftsmodelle zu ermöglichen. Neben Klima- und demografischem Wandel ist die Digitalisierung für die drei Parteien eine der großen Herausforderungen, wie sie am Start des Sondierungspapiers betonen. Ihre Differenzen müssen sie nun nicht zuletzt in der Haushaltspolitik klären. Die Spitzen der Parteien streben an, dass die 22 Arbeitsgruppen bis 10. November ihre Beratungen abschließen.
Kurz vor dem Abschluss der Sondierungen der drei Parteien hatten große Forschungs- und Wirtschaftsorganisationen ihre Forderungen und Erwartungen an die Wissenschaft- und Innovationspolitik der neuen Bundesregierung formuliert. Der Titel „Die nächste Ausbaustufe zünden“ mag an „Bavaria One“ erinnern, doch geht es in dem fünf Seiten langen Papier um konkrete Forderungen. Noch bevor die erst kürzlich in Kraft getretene steuerliche Forschungsförderung in ihren Effekten bewertet werden konnte, verlangen die Organisationen, diese Förderung auszuweiten und „bestehende Einschränkungen gegenüber verbundenen Unternehmen“ aufzuheben. Für Hochschulen fordert das Bündnis die Befreiung von der Umsatzsteuer. Ein häufig von den Unterzeichnern bemühtes Stichwort ist die Beweglichkeit, die Forschungs- und Innovationspolitik müsse „agiler“ werden.
Technologieoffenheit als Leitprinzip
Die großen Forschungsorganisationen und Wirtschaftsverbände wie der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) dar wünschen sich ein vom Kanzleramt geführtes „Innovationskabinett“. Zwar wird „eine ressortübergreifende Innovationsstrategie mit klaren Missionen“ gefordert. Allerdings wird auch der Stellenwert von „Technologieoffenheit als Leitprinzip“ betont. Dies ist einer der Punkte, an dem sich auch die Zuse-Gemeinschaft mit ihrer Kernforderung nach einer Stärkung der technologie- und branchenoffenen Projektförderung wiederfindet.
Alexander Knebel, Pressesprecher der Zuse-Gemeinschaft
Stand: 25. Oktober 2021
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