Die durch Corona bedingte soziale Isolierung erhöht die Bereitschaft zu egoistischem Verhalten. So lautet das ernüchternde Ergebnis einer aktuellen Studie des IW Halle. Vereinzelung verengt den Blick und macht kleinlich, lässt sich aus den Ergebnissen schließen. Das gilt im Persönlichen. Im Wirtschaftsleben hingegen ist Egoismus traditionell weniger schlecht beleumundet, seit Adam Smith im späten 18. Jahrhundert den Egoismus als förderlich für den Wohlstand der Nationen beschrieb.
Daran hat sich im Grundsatz nicht viel geändert. In der sozialen Marktwirtschaft federn staatliche Eingriffe und Sozialpartnerschaft die Triebkräfte des wirtschaftlichen Egoismus ab. Innovationen in Produkten und Prozessen dienen der Erlangung von Wettbewerbsvorteilen. Gesellschaftliche Vorteile sind willkommen, doch kein Muss.
Die gemeinnützige Industrieforschung nimmt hier eine Sonderstellung ein. Unsere Arbeit ist dem Allgemeinwohl verpflichtet ist, muss sich zugleich jedoch an wirtschaftlichen Erfordernissen ausrichten. Das ist im besten Fall eine Symbiose, zuweilen auch ein Spagat.
In der Pandemie sind wir auf neue Weise mit Fragen des menschlichen Zusammenlebens und des wirtschaftlichen Überlebens konfrontiert worden. Die verordnete Isolation hat auf Arbeitsabläufe und Miteinander in Unternehmen und Organisationen durchgeschlagen. Einzelne Branchen wie die Kulturszene wurden massivst beeinträchtigt, während andere wie die Dax-Konzerne Rekordgewinne einfuhren.
In der gemeinnützigen Industrieforschung haben wir unsere eigenen Erfahrungen mit der Pandemie gesammelt. Mit unserer kooperativen Philosophie, die nicht nur in der öffentlich geförderten Forschung, sondern auch in der Auftragsforschung und im Wissenstransfer auf das Miteinander mit Partnern aus Unternehmen und Wissenschaft setzt, haben wir erfolgreich besondere Herausforderungen überwunden.
Weiterhin prägen Fairness und Vertrauen auch unsere innere Verfasstheit. Mehr als 70 Prozent unseres wissenschaftlichen Personals ist fest angestellt, eine herausragende Quote auch in der außeruniversitären Forschung, wie unsere neue Infografik zeigt. Dass wir damit im Wissenschaftsbetrieb gut dastehen, hat letzten Monat die #IchBinHanna-Kampagne in den sozialen Medien gezeigt.
Die gelebten Werte unserer Institute, die sich in solcher Praxis widerspiegeln, sind Rückgrat unserer Innovationsleistung, die im Austausch mit unseren Forschungs- und Geschäftspartnern entsteht. Dieses kooperative Innovationsmodell, das noch viel zu wenig wissenschaftlich untersucht ist, wirkt integrativ über Branchen- und regionale Grenzen hinweg. Mehr als 70 Prozent der Kooperationspartner unserer Mitglieder sind in Regionen außerhalb des Institutssitzes angesiedelt. Unsere neuen Erfolgsgeschichten erzählen von dieser Strahlkraft, die auch soziale Rückkopplungen hat.
Auch das belegt für mich: Die Zuse-Gemeinschaft ist sinnstiftend und schafft Werte, im eigentlichen wie im übertragenen Sinn. Nicht nur in Wahlkampfzeiten stoßen diese Leistungen auf immer mehr Interesse in der Politik. So besuchte Bundesforschungsministerin Anja Karliczek kürzlich Hahn-Schickard in Villingen-Schwenningen, Bundesfinanzminister Olaf Scholz war bei der SLV Halle zu Gast, weitere Termine stehen bevor. Die bundesweite Öffnung des Programms INNO-KOM, die wir fordern, wird dann erneut Thema sein.
Vorbildliches Verhalten ins Rampenlicht rücken kann ein wichtiges Instrument sein, um die sozialen Negativfolgen des Lockdowns abzumildern, sagen die Volkswirte vom IW Halle. Nachdem die Menschen an geltende Normen erinnert wurden, zeigten sie in der IWH-Studie wieder ein sozialeres Verhalten. Das ermutigt auch mich und die Mitstreiter in der Zuse-Gemeinschaft für die Anliegen der gemeinnützigen Industrieforschung zu werben.
Ihr Martin Bastian
Präsident der Zuse-Gemeinschaft
Dieser Beitrag erschien in den ZUSE TRANSFERNEWS 04/2021.