Laboruntersuchung verschiedener Spulenkombinationen. Bildquelle: ifak

Berlin, 26. Mai 2021. Am Pkw-Markt wirken derzeit ein mittel- und ein langfristiger Mega-Trend. In den nächsten Jahren wird der Marktanteil der E-Flotte massiv wachsen, begleitet von Vorgaben zur Verringerung des Klimagasausstoßes. Zugleich steigt die Bedeutung elektronischer Fahrassistenzsysteme, teil-autonomes und autonomes Fahren zeichnen sich ab. Angewandte Forschung in der Zuse-Gemeinschaft bringt beide Trends zusammen, um Autofahren weniger umweltschädlich zu machen. Teil 2 unserer Serie zum Strommarkt der Zukunft.

 Benötigt man für E-Pkw momentan einen Stromanschluss, erscheint das Ladekabel in einer Zukunft autonomen Fahrens wie ein Relikt. Denn wenn das Fahrzeug selbstständig unterwegs ist, sollte es auch das Aufladen ohne menschlichen Eingriff meistern können. Ein Grund, warum Forschende des Instituts für Automation und Kommunikation (ifak) im Verbundprojekt FEEDBACCAR untersuchten, wie unter den Bedingungen der Energiewende kabelloses Auf- und Entladen von E-Pkw, das induktive bidirektionale Laden, künftig umzusetzen ist. „Wir konnten zeigen, dass nicht nur das kabellose automatische Laden von E-Pkw, sondern auch das Zurückspeisen von Batteriestrom aus solchen Fahrzeugen ins Stromnetz technisch problemlos möglich sind“, erklärt ifak-Projektleiter Axel Hoppe. Die Projektpartner testeten u.a. die vollautomatische Aufladung der Batterie und die Rückspeisung von Ladestrom ins Stromnetz, auch aus der Ferne. „Mit der Unterstützung durch Funklösungen wie WLAN oder zukünftig auch 5G konnten wir dies optimal lösen“, erläutert Hoppe. Die Untersuchungen wurden mit einer bidirektionalen induktiven Ladefunktion bis 11 kW durchgeführt, welche im Laufe des Projekts in das Fahrzeug integriert wurde. „Sowohl die Hochvolt- als auch für die Kommunikationsinfrastruktur spielten dabei gut zusammen“, so Hoppe. Projektpartner des ifak waren der Autohersteller Audi, der Zulieferer Zollner Elektronik sowie der Energievermarkter e2m.  

Mehr als 90 Prozent Systemwirkungsgrad

„Anders als häufig angenommen ist das kabellose Laden annähernd ebenso effektiv wie ein herkömmliches Aufladen mit Ladekabel, denn es werden Systemwirkungsgrade, d.h. vom Netzanschluss bis zur Batterie, von mehr als 90 Prozent erreicht“, sagt Hoppe. Erzielt werden konnten die hohen Wirkungsgrade u. a. durch die von den Projektpartnern entwickelten interoperablen Spulensysteme als Basis für die effektive Energieübertragung. Im Projektverlauf testeten sie verschiedene Spulentypen und -anordnungen, um zu einer Beurteilung von deren jeweiligen Vorzügen zu kommen, so hinsichtlich Einhaltung internationaler Standards Platzbedarf, thermischem und elektrischem Verhalten sowie Wirkungsgrad. Die Auswahl eines geeigneten Spulensystems ist dabei stark abhängig von Fahrzeugtyp und äußeren Anforderungen an den Wagen.

Vom Fahrzeug zum StehzeugPM MobilitätMai21 Bild1 BildquelleZollner BeitragSpulensystem mit Feldlinien. Die obere Platte ist ins Fahrzeug integriert, die untere Platte ist eine Bodenplatte. Bildquelle: Zollner Elektronik AG

Weiterer Forschungsgegenstand von FEEDBACCAR: Welche Geschäftsmodelle ergeben sich für Autofahrer oder Flottenbetreiber für die kabellosen Stromer, die Elektrizität zurück ins Netz speisen können? Denn wenn die Wagen geparkt sind, könnten die Fahrzeuge durch die automatische Netzverbindung bare Münze am Strommarkt machen. Im Projekt, gefördert vom Bundesumweltministerium, wurde allerdings deutlich, dass die aktuellen Spielregeln am Strommarkt noch nicht reichen, um einer Vielzahl von Mini-Einspeisern, wie es E-Autos wären,  eine preislich interessante und bürokratiearme Chance zu geben. So sieht der Energiedienstleister e2m in seinem Abschlussbericht zum Projekt gegenwärtig keine ökonomisch tragfähige Geschäftsmodelllösung für Einzelkunden oder Energiedienstleister. Faktoren sind einerseits das zu geringe Erlöspotenzial sowie andererseits notwendige Investitionen in Hardwarekomponenten. Attraktiv für Eigenheimbesitzer hingegen: In FEEDBACCAR Szenarien konnte in Haushalten mit Photovoltaikanlage auf dem Dach der Anteil des selbst verbrauchten Solarstroms von 34 auf 72 Prozent erhöht werden. Die höchsten Anteile an Eigenverbrauch konnten erreicht werden, wenn das Fahrzeug viel stand.

Solaranlage auf vier Rädern verlängert Reichweite

Eine fahrende Solaranlage ist hingegen die Grundidee im Forschungsprojekt STREET, an dem das Institut für Solarenergieforschung Hameln (ISFH) maßgeblich beteiligt ist. Entwickelt wurde ein Kleinlaster mit Solarstrommodulen auf dem Dach und an der Seitenverkleidung auf einer Gesamtfläche von 15 Quadratmeter (qm). Den von den Spezialmodulen produzierte Strom kann das E-Lieferfahrzeug direkt verwenden. Das ISFH rechnet bei dem Kleinlaster, einem Streetscooter, durch die Nutzung des Solarstroms auf der Karosse mit einer jährlichen Reichweitenverlängerung von ca. 5.200 km bei Fahrten in Niedersachsen und noch deutlich mehr in südlicheren Regionen. Die in Europa entwickelte Technologie ermöglicht laut ISFH nicht nur maximale Zell- und Modulwirkungsgrade, sondern durch einen geringeren Temperaturkoeffizienten auch maximale Modulerträge. „Autonomes Fahren heißt bekanntlich fahrerlos. Doch lässt es sich im übertragenen Sinne auch als größere Unabhängigkeit verstehen. Die erreichen wir mit dem STREET-Demonstrator schon heute“, erklärt Projektkoordinator Prof. Robby Peibst.

„Mit dem Umstieg der Autobranche auf E-Fahrzeuge steigt der Strombedarf für den Betrieb der Wagen, trotz ihrer großen Effizienz bei der Energieumwandlung. Das macht die Wagen für den immer stärker von Wind- und Solarenergie geprägten Strommarkt interessant. Institute der Zuse-Gemeinschaft arbeiten erfolgreich an technischen Lösungen, um Autos in den Strommarkt zu integrieren und ihren Klimagasausstoß zu verringern“, erklärt der Geschäftsführer der Zuse-Gemeinschaft, Dr. Klaus Jansen.