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Sophia Botsch spricht im Interview über TransBIB. Bildquelle: Luca Hoffmannbeck, SKZ

Das Kunststoff-Zentrum SKZ beteiligt sich in mehreren Arbeitspaketen aktiv am Transfernetzwerk der industriellen Bioökonomie „TransBIB“, das Akteure branchenübergreifend vernetzt. Biobasiertes Wirtschaften soll in der Industrie etabliert und seine praktische Anwendung gefördert werden. Sophia Botsch, Scientist im Bereich Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft des SKZ und Lukas Metzger-Lindner, Projektmanager Bioökonomie bei der PIC GmbH, erzählen im Interview, welche Herausforderungen die Etablierung von bioökonomischen Prozessen in der Praxis mit sich bringt, und was TransBIB dagegen tun kann.

Frau Botsch, welchen Beitrag kann die Bioökonomie zur Nachhaltigkeit leisten?

Sophia Botsch: Die Bioökonomie beschäftigt sich mit der Nutzung von grünem Kohlenstoff, also der Verwendung von Rohstoffen aus nachwachsenden Quellen wie Restbiomasse. Dadurch ist sie essenziell für eine nachhaltige Produktion, beispielsweise der von Kunststoffen. Jedoch muss man dabei auch andere Nachhaltigkeitsaspekte, wie die Treibhausgasbilanz oder den Schutz der zur Produktion benötigten Ökosysteme berücksichtigen. Damit Bioökonomie nachhaltig ist, benötigt es eine durchgehend nachhaltige Produktionskette vom Rohstoff bis zum Endprodukt.

Welche Herausforderungen stellen sich bei der Etablierung bioökonomischer Prozesse in der Praxis?
Botsch: Es existieren bereits diverse Lösungen und Produkte, jedoch gibt es keine „one-fits-all“-Lösung, was die Weiterentwicklung und breite Nutzung der Prozesse mühsam macht. Zudem sind viele Kleinlösungen häufig noch nicht wirtschaftlich konkurrenzfähig. Hier scheitert es meist am Kapital für die Skalierung, da unter anderem durch die schlechte Vernetzung der Einzelakteure die Sichtbarkeit für Investoren oft nicht gegeben ist. TransBIB ist da aber ein guter Schritt, um die vielen Lösungen und Ideen zusammenzubringen und weiterzuentwickeln.

Worum genau geht es bei TransBIB?

Lukas Metzger-Lindner: TransBIB will erreichen, dass die industrielle Transformation hin zu nachhaltigem Wirtschaften mit erneuerbaren Kohlenstoffen praxistauglich wird und im industriellen Alltag ankommt. Dabei ist es essenziell, die Akteure und Regionen branchenübergreifend zu vernetzen und das oftmals fragmentiert vorliegende Wissen zusammenzuführen und miteinander zu teilen. TransBIB ist mit seinen Partnern in sechs anwendungsorientierte Handlungsfelder gegliedert, die alle für eine Beschleunigung der Bioökonomie sorgen. So entwirft beispielsweise der „One-Stop-Shop“ eine Übersicht über Stoffströme und Technologieinfrastrukturen – über Industrieschulungen soll dieses Wissen verbreitet und über einen breit angelegten Stakeholderdialog soll der Zugang zu Nachhaltigkeitszertifikaten erleichtert werden. Das Team „Vernetzung“ strebt die Verknüpfung von Kompetenz- und Beispielregionen der industriellen Bioökonomie an und ist auch auf EU-Ebene aktiv. TransBIB versteht sich als offenes Netzwerk, um Wissen zu bündeln, transferieren und skalieren.

Was ist die Rolle des SKZ bei TransBIB?
Botsch: Dadurch, dass wir am SKZ sehr breit aufgestellt sind, können wir das Projekt auch in mehreren Teilbereichen unterstützen. Zum einen stellt das SKZ Wissen im Bereich der biobasierten Wertschöpfungskette über seine Bildungsformate bereit, um Fachkräfte für die zukünftige Anwendung der Bioökonomie zu befähigen. Das Motto ist hier „Fachkraft, die Zukunft schafft.“
Außerdem sind wir aktiv dabei, das Durcheinander von Zertifikaten in der Bioökonomie zu entwirren und eine Art Wegweiser durch die vielen Labels und Nachweise zu schaffen. Im ersten Schritt zeichnen wir eine Art Landkarte durch den aktuellen Dschungel an Zertifizierung, sodass vor allem KMU den ökologischen Vorteil ihrer biobasierten Produkte auch belegen und so wirtschaftlich nutzen können. Perspektivisch soll eine Vereinheitlichung der Zertifikate erreicht werden. Damit das gelingen kann, müssen alle Stakeholder an einem Tisch zusammenkommen und gemeinsam eine Lösung finden.

Zertifizierung klingt nach viel Bürokratie – ist das wirklich notwendig?
Metzger-Lindner: Ja, denn es gibt eine Richtlinie der EU, die ab 2026 allgemeine Umweltaussagen und Eigensiegel verbietet. Das klingt zwar bürokratisch, dient aber letztendlich der Verbrauchersicherheit, denn Hersteller können dann nicht einfach eigene Labels schaffen, die für Greenwashing von Produkten genutzt werden könnten. Demnach ist auf Produkten entweder gar nichts drauf oder eben ein wirklich glaubwürdiges Siegel. Das macht die zertifizierten Labels dann auch wertvoller und soll dem Verbraucher ermöglichen, eine fundierte Entscheidung für oder gegen Produkte zu treffen, ohne durch vage Marketingaussagen in die Irre geführt zu werden.
Die Herausforderung ist hierbei aber trotzdem, dass eine große Bandbreite an verschiedenen Labels in verschiedenen Branchen existiert, die der Verbraucher nicht miteinander vergleichen kann. Die Branchen sind oft schon verflochten, da sie auf die gleichen Stoffströme zugreifen. Die Labels sind es aber noch nicht im gleichen Maße.

Wie kann es gelingen, auch kleine Unternehmen in komplexe bioökonomische Kreisläufe einzubinden? Da sind die Ressourcen oft sehr begrenzt.
Botsch: Eben da ist Zertifizierung notwendig. Durch ein entsprechendes Zertifikat sind auch die kleineren Unternehmen in der Lage, nachvollziehbar zu beweisen, dass ihr Produkt bioökonomischen Standards entspricht. Die Zertifizierung macht KMUs also wettbewerbsfähiger. Aber gerade für KMUs ist der Aufwand des Zertifizierungsprozesses kaum zu bewältigen. Da will TransBIB helfen die Unternehmen an die Hand zu nehmen und perspektivisch durch ein vereinheitlichtes System den Aufwand noch weiter zu verringern.

Vor Kurzem fand der Kick-Off Workshop „Zertifizierung biobasierter Produkte“ statt, den das SKZ und die PIC GmbH gemeinsam durchgeführten haben. Wie gut wurde dieser erste Workshop angenommen?
Metzger-Lindner: Sehr gut. Über 40 Vertreter aus allen Branchen der Bioökonomie diskutierten mit verschiedenen Stakeholdern des Zertifizierungsprozesses. Die Impulsvorträge mit verschiedenen Blickwinkeln, u.a. von produzierenden KMUs, Zertifizierungssystemen und Zertifizierern, teilten ihre Sicht auf den jeweiligen Umgang mit Labeln und best-practice Beispiele, wobei natürlich auch aktuelle Herausforderungen angesprochen wurden. Zudem waren völlig verschiedene Industriezweige vertreten, wie z.B. die Holz-, Kunststoff-, Agrar- oder auch Chemieindustrie. Es wurde deutlich, dass sich die Unternehmen einerseits ein vereinfachtes System wünschen und andererseits die Zertifizierungssysteme auch schon anfangen, sich gegenseitig anzuerkennen und zusammenzuarbeiten. Diese Entwicklung und das vielfältige Interesse sehen wir als sehr gutes Zeichen für die künftige Zusammenarbeit in TransBIB.

Worum geht es im nächsten Workshop und kann man noch teilnehmen?
Botsch: Sehr gerne kann man noch teilnehmen. Je höher und vielfältiger die Beteiligung, desto besser das Ergebnis. Im nächsten Workshop wollen wir uns auf die Rohmaterialien fokussieren. Es geht um den Austausch über und die Bedarfe einer Zertifizierung von biobasierten Rohstoffen. Nächstes Jahr folgen dann noch weitere Workshops mit Fokus auf Verarbeitung, Endprodukte und Recycling.

Pressemitteilung des SKZ vom 21.10.2024.