Dr. Heike Belitz. Bildquelle: DIW Berlin

Um Deutschlands Innovationspolitik in Zeiten von Digitalisierung und Klimawandel fit für die Zukunft zu machen, sollten ausgewählte neue Instrumente her. Das befürwortet Dr. Heike Belitz vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und fordert daher technologieorientierte Investitionsfonds. Kritisch sieht sie die in der ablaufenden Wahlperiode vom Bundestag verabschiedete steuerliche Forschungszulage. Für kleine Innovatoren mit großen Ideen biete sie wenig. Zudem berge die Steuerzulage die Gefahr der Mitnahme, weil sie Forschung im Nachgang fördere, die oft sowieso stattfinden würde. „Zur Lösung der anstehenden großen Herausforderungen zur Transformation der Industrie trägt sie wahrscheinlich wenig bei“, so Belitz mit Blick auf die Forschungszulage. Bei der Beurteilung von Innovationen im Mittelstand warnt sie davor, nur auf die Innovatorenquote zu schauen. „Das anspruchsvolle Innovationsgeschehen scheint sich auf weniger Unternehmen zu konzentrieren. Aber immer mehr Unternehmen beschäftigten sich mit Digitalisierungsprojekten, die ja oft mit Innovationen einhergehen“, sagt Belitz gegenüber den ZUSE TRANSFERNEWS.

Frau Dr. Belitz, in einer Studie für die Friedrich-Ebert-Stiftung plädieren Sie in einem DIW-Autorenteam für eine verstärkt technologiespezifische Forschungsförderung in Deutschland. Warum?

Mit den Herausforderungen für die Industrie im Zuge von Dekarbonisierung und Digitalisierung sehen wir steigende Forschungskosten, große Umsetzungsrisiken für radikal neue Game-Changer-Technologien und die Notwendigkeit neuer Kooperationen zwischen Unternehmen und staatlichen Forschungseinrichtungen national und international. Da reicht die technologieoffene, vorwettbewerbliche Förderung nicht mehr aus. Wenn Deutschland und die EU im weltweiten Innovationswettbewerb erfolgreich sein wollen, müssen sie sich entscheiden, in welche Projekte die notwendige massive Unterstützung nicht nur für Forschung, sondern auch für erstmalige Realisierung neuer Technologien fließen soll. Gute Ansätze gibt es da bereits, etwa die deutsche Agentur für Sprunginnovationen SprinD oder die europäischen IPCEI Projekten (Important Projects of Common European Interest) z.B. für die Batteriezellproduktion oder die Mikroelektronik.

Sie regen die Schaffung von technologieorientierten Investitionsfonds an. Wie sollen die funktionieren?

Damit wollen wir die Lücke zwischen vorwettbewerblicher Technologiepolitik und privater Investitionstätigkeit weiter schließen. In ausgewählten Game-Changer-Technologien sollen diese Fonds neue Partnerschaften von Unternehmen und Staat zum Aufbau von Technologieführerschaft in Deutschland und Europa mitfinanzieren. Größe und Laufzeit der Technologiefonds sollten auf der Basis von Ideenwettbewerben und überzeugenden Umsetzungskonzepten transparent festgelegt werden. Die Fonds sollen vor allem risikoreiche kooperative Projekte unterstützen, in denen  die gewünschten Wissensflüsse  zwischen den beteiligten Akteuren und darüber hinaus in ihre  Branchen und Regionen bereits angelegt  sind. Sie müssen über ihre Misserfolge ebenso offen berichten wie über ihre Erfolge. Dies dient auch der Legitimierung gegenüber dem Steuerzahler. Deutschland könnte so in Kooperation mit der EU auf dem eingeschlagenen industriepolitischen Weg vorangehen und Investitionen in radikale technologische Innovationen im gesellschaftlichen Interesse mehr Schub verleihen.

Auf der Habenseite ihrer forschungspolitischen Bilanz verbucht die Bundesregierung in der ablaufenden Wahlperiode die steuerliche Forschungszulage. Wie beurteilen Sie dieses Instrument?

Noch ist es für eine Beurteilung des für Deutschland neuen Förderinstruments zu früh. Die steuerliche Forschungszulage bietet für größere Mittelständler eine starke Finanzspritze. Für kleine Innovatoren mit großen Ideen bietet sie wenig. Zudem birgt sie die Gefahr der Mitnahme, weil sie Forschung im Nachgang fördert, die oft sowieso stattfinden würde. Zur Lösung der anstehenden großen Herausforderungen zur Transformation der Industrie trägt sie wahrscheinlich wenig bei.   

Andere Länder haben aber gute Erfahrung mit der steuerlichen Forschungsförderung gemacht, oder?

Aber durchaus nicht nur gute Erfahrungen mit dem recht teuren Instrument. Zudem verfügen viele Länder nicht wie Deutschland über eine umfangreiche, ausdifferenzierte technologieneutrale und -spezifische Projektförderung für den Mittelstand. Damit geht oft auch eine gerade für KMU wichtige Beratung einher und  sie zwingt zur Planung mit klaren Zielen und messbaren Ergebnissen. 

Stichwort Auslandserfahrung: Nicht nur in Deutschland, auch in anderen europäischen Ländern sinkt die Teilhabe an Innovationen, immer weniger Unternehmen bringen demnach Neuerungen hervor, die Innovatorenquote sinkt. Wo sehen Sie die Ursachen und wie lässt sich gegensteuern für einen innovativen Mittelstand?

Tatsächlich ist dieser Rückgang nicht nur in Deutschland zu beobachten. Wir sollten auch nicht nur auf die Innovatorenquote blicken. Unter den KMU gibt es bezogen auf FuE und Innovation sehr verschiedene Unternehmenstypen und Problemlagen. Das anspruchsvolle Innovationsgeschehen scheint sich auf weniger Unternehmen zu konzentrieren. Aber immer mehr Unternehmen beschäftigen sich mit Digitalisierungsprojekten, die ja oft mit Innovationen einhergehen. Die Vielfalt der Hemmnisse im innovativen Mittelstand muss noch besser erfasst werden, um wirksam dagegen zu steuern. 

 Dieser Text erschien in den ZUSE TRANSFERNEWS 03/2021.

Das Interview führte Alexander Knebel, Pressesprecher der Zuse-Gemeinschaft.