Dr. Jens Schaller, Projektleiter am TITK bestückt einen Edelstahlreaktor mit Cellulose, um daraus spezielle Celluloseether herzustellen. Bildquelle: TITK/Steffen Beikirch

Berlin, 27. Dezember 2018. Es ist 150 Jahre jung, wächst weiter und hat ein faszinierendes Innenleben: Das Periodensystem der Elemente wird von den Vereinten Nationen wegen seines Stellenwerts für Wissenschaft und Wirtschaft 2019 mit einem Weltjahr geehrt. Viele Forschungsinstitute der Zuse-Gemeinschaft haben eine besondere Beziehung zum Periodensystem, denn sie sind spezialisiert auf innovative Anwendungen in Chemie, Physik und Materialwissenschaften.

Unabhängig voneinander ordneten Dmitri Mendelejew (1834–1907) und wenige Monate später Lothar Meyer (1830–1895) die chemischen Elemente nach ihren Eigenschaften so, dass Prognosen über noch nicht entdeckte Elemente leichter fielen. Derzeit listet das Periodensystem 118 verschiedene Elemente, beginnend mit Wasserstoff und auf heutigen Darstellungen meist endend mit dem erst 2005 entdeckten Element 118, dem Oganesson.

Menschen-Atome zu mehr als 99 Prozent Wasserstoff, Sauerstoff, Kohlenstoff, Stickstoff
Während die Grundlagenforschung im Periodensystem auf der Suche nach immer schwereren, neuen Elementen mit extrem kurzen Halbwertszeiten ist, gewinnt die anwendungsorientierte Forschung ihren Reiz auch aus der Arbeit mit der riesigen Vielfalt der Eigenschaften, welche die Verbindung verschiedener Elemente schafft.  Mehr als 99 Prozent der Atome, aus denen der Mensch besteht, sind entweder Wasserstoff, Kohlenstoff, Stickstoff oder Sauerstoff. Jedes der Elemente im verbleibenden Prozent ist aber genauso wichtig, so z.B. Kalzium für den Knochenbau, Eisen für das Blutbild, oder Magnesium für Muskelfunktion und Eiweißsynthese.

Kleine Veränderungen mit radikalen Konsequenzen
Auch bei anorganischen Stoffen führt bereits die Zugabe kleinster Mengen eines Elements zu radikalen Veränderungen der Eigenschaften. So wandelt sich das Element Silizium - eines der häufigsten Elemente auf der Erde - schon bei Zugabe eines millionsten Teils (ppm) des Elements Bor radikal und wird von einem Halbleiter zu einem Leiter. „Das liegt an den durch das Bor verursachten Änderungen in den Bindungsstrukturen der Siliziumatome in ihrem Kristallgitter“, erläutert Georg J. Schmitz von Access e.V., einem Forschungsinstitut der Zuse-Gemeinschaft, das Schwerpunkte seiner Expertise in der Herstellung, Modellierung und Analyse metallischer Legierungen hat.

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Arbeit mit den Elementen: Chemisch-Technische Assistentin im Fachbereich Biomaterialien. Bildquelle: Innovent e.V.

Elemente in Legierungen maßgeschneidert kombinieren
Welchen wirtschaftlichen Stellenwert Legierungen besitzen, zeigt sich exemplarisch am Stahl: Allein das einschlägige europäische Register zählt rd. 2.400 Sorten von denen etwa die Hälfte in den letzten zwanzig Jahren entwickelt wurde. „Eine Faszination der Metallforschung liegt darin, die gewünschten Eigenschaften der Elemente in technischen Legierungen für einen bestimmten Anwendungsfall maßgeschneidert zu kombinieren. Neben der Zusammensetzung der Legierungen aus den verschiedenen Elementen spielt hierbei die Verfahrenstechnik wie beispielsweise Temperatur-Zeitverläufe  eine ebenso große Rolle“, betont Schmitz.

Das einfachste Element mit großer Reaktionsfreude
Bei „Überdosierung“ eines Elementes kann es auch zu unerwünschten Nebenwirkungen kommen. Ein Beispiel hierfür ist die sogenannte Wasserstoffversprödung, bei der überschüssiger Wasserstoff die mechanischen Eigenschaften eines  Metalls negativ beeinflusst. Das Wasserstoff-Atom mit einem Proton und einem Elektron ist das einfachste und zugleich ein sehr reaktionsfreudiges Element. In Zeiten der Energiewende hat es wieder Konjunktur: Für eine Energieversorgung die sich hauptsächlich aus erneuerbaren Quellen speist, benötigt man einen speicherbaren und universell einsetzbaren Energieträger. Die Wissenschaftler am Gastechnologischen Institut (DBI) in Freiberg untersuchen nicht nur, wie sich Wasserstoff problemlos ins Erdgasnetz einspeisen lässt, sondern wollen auch die Nutzung von Wasserstoff zur Strom- und Wärmenutzung am Arbeitsplatz und in den eigenen vier Wänden voranbringen. Dazu haben sie im Verbundprojekt HYPOS für die Versorgung von Gewerbebetrieben und Mehrfamilienhäusern mit Strom und Wärme aus grünem Wasserstoff technische Lösungen entwickelt und Fragen rund um die Schnittstelle von Wasserstoff- und Erdgastransport bearbeitet.

Verbinden und Trennen
Die Trennung von Elementen ist nicht nur eine Aufgabe für die  energetische Nutzung von Wasserstoff, der in der Natur praktisch nur in Verbindungen vorkommt. Auch an anderen Stellen in der Zuse-Gemeinschaft beschäftigt man sich mit dem Trennen von Elementen: Das Deutsche Textilforschungszentrum Nord West (DTNW) hat ein neuartiges, funktionelles Textil aus Polyester und Polyvinylamin entwickelt, mit dem sich Edelmetalle wie z.B. Palladium aus niedrigkonzentrierten Industriewässern gewinnen lassen. Leitet man ein edelmetallhaltiges Wasser über das Textil, wird das Metall am Textil zurückgehalten, bevor das Palladium in seiner reinen Form zurückgewonnen werden kann. Textilien bestehen zumeist aus organischen Verbindungen. Die häufigste organische Verbindung ist die Zellulose als Hauptbestandteil pflanzlicher Zellwände mit den Elementen Wasserstoff, Sauerstoff und Kohlenstoff.

Beitrag honorieren
Kohlenstoff ist auch Bestandteil der häufigsten organischen Verbindung, der Zellulose. Sie formt das Gerüst pflanzlicher Zellwände und besteht neben Kohlenstoff aus Wasserstoff und Sauerstoff. „Die Zellulose mit ihren drei Elementen kann Inspiration für eine am Kreislaufgedanken orientierte Chemie sein, die mit der Natur arbeitet“, erklärt der Präsident der Zuse-Gemeinschaft, Dr. Ralf-Uwe Bauer. Die Entscheidung der Vereinten Nationen für Jahr des Periodensystems biete Gelegenheit, den Stellenwert von Chemie und Physik für Wirtschaft und Gesellschaft aufzuzeigen. Dr. Bauer: „Dazu leisten wir in der Zuse-Gemeinschaft mit unserer engagierten Forschung für Unternehmen und Gesellschaft schon heute technologie-übergreifend einen wichtigen Beitrag, der politisch allerdings noch zu wenig gewürdigt wird.“