„Oh nein, die Kaffeemaschine ist defekt.“ – Diese Feststellung am frühen Morgen ist sicherlich für viele Menschen kein guter Start in den Tag. „Wie konnte das denn jetzt passieren?“ lautet dann die Frage, die sich dem Betroffenen stellt. Und er versucht zunächst, Abhilfemaßnahmen in der eigenen Küche durchzuführen, ehe er den Gang zum Fachhändler antritt. Wer technikaffin ist, der schraubt vielleicht seine Kaffeemaschine direkt auf und stellt dabei in diesem Fall fest, dass ein Rasthaken abgebrochen ist.
So oder so ähnlich beginnen alle Schadensfälle und je nach Anwendungsfall und Brisanz gilt es eine zügige Ursachenfindung anzustoßen und Abhilfemaßnahmen zu definieren. An dieser Stelle kommt die Abteilung Material- und Schadensanalytik des Kunststoff-Instituts Lüdenscheid ins Spiel.
Für eine systematische Vorgehensweise ist es für die Schadensanalyse immens wichtig, zunächst alle relevanten Informationen zusammenzutragen. Beim Beispiel der defekten Kaffeemaschine ist es beispielsweise wichtig zu erfahren, aus welchem Material die defekte Komponente gefertigt wurde, wann sie gefertigt wurde, wie hoch die Ausfallquote ist und unter welchen Umständen der Defekt aufgetreten ist. Nur durch die Kenntnis möglichst vieler Begleitumstände lässt sich ein Schadensfall rekonstruieren und Lösungsansätze können definiert werden. Zusätzlich ist es wichtig, dass geeignete Vergleichsproben, die im Idealfall chargengleich sind und die gleiche Bauteilhistorie be-sitzen, zur Verfügung gestellt werden können.
Um eine Materialverwechslung oder Verunreinigungen des Materials bei der Herstellung des Bauteils auszuschließen, wurde in diesem Fall eine IR-Spektroskopie durchgeführt. Sie zeigte keine signifikanten Verunreinigungen des Materials und bestätigte Po-lyoxymethylen (POM) als Material. Da durch das IR-Spektrum nicht unterschieden werden kann, ob es sich um ein Homo- oder Co-Polymer handelt, wurde zusätzlich eine DSC-Analyse durchgeführt. Anhand des Schmelzpunktes konnte ein POM-C identifiziert werden und auch hier zeigten sich keine Auffälligkeiten wie Fremdmaterialien. Beide Analysen wurden sowohl für das Ausfallteil als auch für das Referenzteil durchgeführt. Im Vergleich der aus der DSC-Analyse ermittelten Schmelzenthalpien der Proben zeigten sich geringe Unterschiede der Proben.
Für die Bewertung des Materialgefüges wurden weiterhin Mikrotomschnitte an den beiden vorliegenden Proben durchgeführt. Hier zeigte sich, dass das Materialgefüge des Ausfallmusters deutlich gröbere Kristallitstrukturen sowie eine dickere amorphe Randschicht aufweist als das Gutmuster. Dies deutet auf eine vergleichsweise kältere Werkzeugwandtemperatur sowie eine höhere Massetemperatur beim Ausfallteil hin, wohingegen das fein verteilte, gleichmäßige Gefüge beim Gutteil auf eine optimalere Temperierung des Spritzgussprozesses hinweist.
Durch eine ergänzende Gelpermeationschromatographie (GPC) wurde anschließend überprüft, ob die Prozessbedingungen zu einer Materialschädigung des POM geführt haben, die sich zusätzlich zu der abweichenden Gefügetextur nachteilig auf die mechanischen Eigenschaften des Rasthakens auswirken könnten. Für eine solche Analyse werden im Optimalfall Proben aus verschiedenen Prozessstufen entnommen. In diesem Fall standen Proben des Granulats vor und nach dem Trocknen sowie ein Schmelzkuchen und ein Bauteil aus der aktuellen Produktion sowie die beiden bereits untersuchten iO- und niO-Proben zur Verfügung.
Die GPC-Analyse ermittelt die Molekulargewichtsverteilung des Polymers, über die sich eine Abschätzung treffen lässt, ob eine Verkürzung der Polymerkettenlänge und damit eine Materialschädigung vorliegt. In diesem Fall konnte im Vergleich der untersuchten Proben festgestellt werden, dass es bei der aktuellen Produktion keine signifikanten Unterschiede in den Polymerkettenlängenverteilungen der untersuchten Proben gab, so dass sich für die laufende Produktion die Temperaturbedingungen als materialschonend erwiesen haben. Das Gutteil zeigte ebenfalls eine ähnliche Verteilung, wohingegen das Ausfallteil eine deutliche Abnahme des mittleren Molekulargewichts aufzeigte. Somit konnte in dem Fall festgestellt werden, dass bei der Prozessführung ein Fehler unterlaufen sein musste, der zu dem abweichenden Gefüge geführt hat und zusätzlich in einer Materialschädigung resultierte.
Das Kunststoff-Institut Lüdenscheid steht Unternehmen gerne bei der Material- und Schadensanalyse zur Verfügung. Neben dem nach DIN EN ISO 17025 akkreditierten Labor kann auf ein umfangreiches Netzwerk zurückgegriffen werden, um ein auf das Unternehmen zugeschnittenes Analysepaket anbieten zu können. Zusätzlich arbeitet die Material- und Schadensanalyse eng mit den anderen Abteilungen des Institutes, wie z. B. der Anwendungstechnik, zusammen, so dass auch über die Analyse hinaus kompetente Ansprechpartner zur Verfügung stehen.
Pressemitteilung des KIL vom 03.04.2025.