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Joachim Schmidt und Sharik Siddiqi entwickeln am IAB die KI für das Projekt Bildquelle: Thimo Hennig (IAB Weimar)

In Weimar arbeiten Wissenschaftler des Instituts für Angewandte Bauforschung (IAB) an der Bekämpfung der Afrikanischen Schweinepest (ASP).

Da stellt sich die Frage: Was hat Bauforschung denn mit Schweinepest zu tun? Doch das ist schnell erklärt: Seit zwei Jahren beschäftigt sich eine Forschungsabteilung des IAB Weimar mit den Möglichkeiten, die der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Baubranche bietet. Die Vielseitigkeit der KI ermöglicht es, dass die für Bauprojekte bereitgestellten Lösungen mit etwas Mehraufwand für den Einsatz in Projekten aus anderen Bereichen angepasst werden können.            

Ziel des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz geförderten Projektes ist die Entwicklung einer autonomen Maschine, die mithilfe von KI Wildschweine erkennt und einen Impfköder ausgibt. Daher auch der Name Smart Feeder.

Denn schon seit vier Jahren werden ASP-Erreger immer wieder bei Tieren in Deutschland nachgewiesen. Über 6.000 Fälle sind inzwischen bekannt. Die Verhinderung und Bekämpfung der Ausbreitung innerhalb der Wildschweinpopulation sowie der Folgen eines Befalls in Hausschweinepopulationen haben deutschlandweit bereits Hunderte Millionen Euro gekostet.

Während weltweit an einem wirksamen Impfstoff geforscht wird, begleitet das Berliner Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung die Forschenden am IAB mit seiner Wildtierexpertise. Außerdem gehören die Sondermaschinenbauer von WESOMA in Weimar mit der Hardwareentwicklung des Futterautomaten zum Gemeinschaftsprojekt. Die Softwareentwickler von 3plusplus in Suhl sorgen dafür, dass der smarte Futterautomat mit einer mobilen App überwacht werden kann.

Künstliche Intelligenz als Grundlage

Der Futterautomat ist mit vier nachtsichttauglichen Kameras und einem Bewegungssensor ausgestattet. Diese überwachen die Umgebung, damit der Smart Feeder weiß, wann er einen Köder aus-legen muss. Vor dem ersten Einsatz musste das System aber erst lernen, wie ein Wildschwein aussieht. „Das passiert, indem wir der KI in einem Anlernschritt viele Wildschweinbilder präsentierten, wie bei einem Kind, dem man im Bilderbuch Tiere zeigt“, erklärt Sharik Siddiqi vom IAB. Sein Arbeitsplatz glich lange einem Kinderzimmer: „Vor dem Einsatz in der freien Natur bewegten wir mittels Drehteller in der ersten Testphase verschiedene Spielzeugtierfiguren vor einem waldähnlichen Hintergrund. So konnten wir die Fähigkeit unseres Futterautomaten testen, Wildschweine von anderen Tieren zu unterscheiden. Wichtig war auch, dass die KI Wildschweine unabhängig von ihrem Stand-ort und ihrer Bewegungsrichtung erkennen konnte.“

Die intelligente Technik hinter dem Futterautomaten kann aber noch viel mehr. Sie unterscheidet auch zwischen jungen und erwachsenen Wildschweinen, um die genaue Zusammensetzung einer Wildschweingruppe zu bestimmen. Dies hilft verschiedene Wildschweinrotten voneinander zu unter-scheiden.

„Da der Smart Feeder den Tieren einen Impfstoff verabreicht, muss er erkennen, ob die Rotte bereits eine Dosis an der Futterstelle erhalten hat oder ob noch geimpft werden muss“, erklärt Joachim Schmidt, der am IAB ebenfalls am Projekt mitarbeitet. Das bedeutet, dass jedes Tier genau eine Dosis Impfstoff erhält.

Inzwischen laufen die Tests in freier Wildbahn im Schwarzwildgatter der Jägerschaft Stadtroda. „Ohne diese realen Tests wäre die Systemüberprüfung auf der Stufe der Validierung mittels Virtual-Reality-Simulationen stehengeblieben. Diese Simulationen waren zwar eine wesentliche Stütze bei der KI-Entwicklung, können jedoch niemals den Praxistest ersetzen“, so Schmidt. Für den Einsatz des Smart Feeders wurde in dessen Nähe eine Futterstelle aufgestellt, um die Tiere anzulocken. „Die ersten Testergebnisse sind ermutigend. Der Feeder konnte Wildschweine erkennen und selbst-ständig Futter freigeben“, so Enrico Bauer von der Zentrale von ThüringenForst in Erfurt, der dem Projektteam den Zugang zum Schwarzwildgatter ermöglichte.

Technologie kann künftig flexibel eingesetzt werden

Zukünftig könnte die Technik auch zur Verabreichung von Impfstoffen oder Medikamenten für verschiedene Tierarten eingesetzt werden. „Aufgrund der einfachen Trainierbarkeit der KI sind auch andere Szenarien denkbar. So können wir den Futterautomaten beispielsweise dazu nutzen, invasive Arten wie Waschbären einzudämmen“, blickt Sharik Siddiqi in die Zukunft. Zudem wäre es möglich, anhand sichtbarer Symptome Ausbrüche verschiedener Krankheiten bei Wildtieren frühzeitig zu erkennen und deren Verlauf zu überwachen. Auch der Erfolg von Behandlungsmethoden ließe sich auf diese Weise kontrollieren. „Als ambitioniertes Fernziel wird angestrebt, dass künftig alle Komponenten des Ökosystems Wald mithilfe künstlicher Intelligenz überwacht werden können“, stellt sich Siddiqi vor.

Pressemitteilung des IAB vom 14.12.2024.