Oft wird Lebensmitteln Stärke zugefügt, um eine bestimmte Konsistenz zu erzielen. Meistens bedienen sich Lebensmittelhersteller dafür bei Stärke aus Kartoffeln, Mais und Weizen. Doch Erbsen liefern eine Stärke, „die Sachen kann, die andere nicht können“, so Dr. Sandra Grebenteuch vom Institut für Lebensmittel- und Umweltforschung e.V. (ILU).
Im Projekt „BIOStärke“ suchten Forschende nach Kriterien, welche Erbsensorten eine stabile Stärke liefern. Gefördert wurde dieses Vorhaben aus Mitteln des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) aufgrund eines Beschlusses des deutschen Bundestages. Die Projektträgerschaft lag bei der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) im Rahmen der Eiweißpflanzenstrategie.
Erbsenstärke ist für die Lebensmittelindustrie ein wichtiger Grundstoff. Sie ist Bestandteil von Glasnudeln, beliebt als Bindemittel für Suppen und Saucen sowie in Backwaren. Vor allem punktet die Stärke aus Erbsen gegenüber gängigen Stärken mit einigen Vorteilen: Sie ist zum Beispiel farblos – anders als Maisstärke -, zudem gilt der Erbsenanbau als nachhaltiger als der von Weizen und Mais, was Wasser- und Düngemitteleinsatz angeht. Nicht zu vergessen: Erbsenstärke ist allergenfrei, enthält beispielweise kein Gluten; gut für Menschen mit Glutenunverträglichkeit.
Die Frage, der die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen im Projekt BIOStärke nachgingen, entstand, weil Verarbeiter mit teils starken Qualitätsschwankungen bei Erbsenstärken zu kämpfen hatten. Diese führten in der Vergangenheit teilweise zu Qualitätsproblemen bei Produkten.
Kürzlich endete das Projekt – mit spannenden Ergebnissen und neuen Forschungsfragen
Heimische Kultur für regionale Stärke
Grundsätzlich ist Erbsenstärke hierzulande wenig verbreitet. Das ILU will das ändern. Die Lebensmittelchemikern und Bereichsleiterin Lebensmittel beim ILU Dr. Sandra Grebenteuch extrahierte für das Projekt die Stärke aus zahlreichen Erbsensorten. Beispielsweise „gelingen aus Kartoffelstärke keine Glasnudeln. Dafür braucht es die Stärke aus zum Beispiel Mungobohnen – oder eben Erbsenstärke“. Die Erbse ist zudem eine heimische Kultur – ein weiterer Ansporn für die Wissenschaftlerin: „Projektziel war, eine regionale Erbsensorte aus dem Ökolandbau zu finden, deren Stärke besonders gute Eigenschaften aufweist.“
Stärken unterscheiden sich grundsätzlich in ihren Anteilen der Makromoleküle Amylose und Amylopektin. Erbse enthält vergleichsweise viel Amylose – es steht für ein gutes Gelbildungsvermögen. Somit liefern schon geringe Mengen ein festes Stärkegel. Darüber hinaus gilt Erbsenstärke als temperaturstabil – vorteilhaft für die Herstellung von Glasnudeln mittels Extrusion, denn hier können hohe Temperaturen und Drücke entstehen. Und, Erbsenstärke quillt vergleichsweise wenig, was sie gegen Viskositätsverluste stabilisiert, sprich, sie bleibt lange zähflüssig.
Fakt ist aber auch: Während es bei Kartoffeln extra gezüchtete Sorten gibt, die eine gleichbleibende Stärkequalität liefern, geriet die Züchterarbeit für die Erbse in den vergangenen Jahrzehnten ins Stocken. Von den meisten Erbsensorten weiß man wenig, was die Qualität der aus ihnen gewonnenen Stärken betrifft. „Verarbeiter bekommen keine sortenreine Erbsenstärke“, erklärt Sandra Grebenteuch. „Im März werden mehrere Erbsensorten ins Werk geliefert, später im Jahr zehn andere Sorten – jeweils mit unterschiedlichen Stärkequalitäten. Das ist für die Industrie natürlich ein Problem.“ Daraus ergab sich die Frage: „Welche Stärken kann ich mischen, was will ich damit machen und was muss ich dafür wissen“, so Grebenteuch. Hier setzte das Projekt BIOSärke an.
Etwa 150 Erbsensorten untersuchte ein Team des Instituts für Lebensmittel- und Umweltforschung (ILU) und des Instituts für Lebensmitteltechnologie und Lebensmittelchemie an der Technischen Universität Berlin (TU Berlin). Um Erkenntnisse über die Stärkequalitäten und Verarbeitungseigenschaften von Erbsen zu gewinnen, charakterisierten die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen die Erbsensorten aus ökologischer Erzeugung. Weiteres Projektziel war es, eine Vorhersage der Eignung von Erbsenstärken für bestimmte Anwendungen zu treffen.
Zunächst wurde ein breites Sortiment von Winter- und Sommererbsen vom Projektpartner Cultivari Getreidezüchtungsforschung Darzau gGmbH (CLTI) angebaut, getrocknet und zum ILU geliefert. Sandra Grebenteuch extrahierte die Stärke aus den kleinen grünen Erbsen und vor allem gelben Kocherbsen mit bis zu 50 Prozent Stärkeanteil. Einen Teil der Analysen übernahm die Arbeitsgruppe der Lebensmittelverfahrenstechnik der TU Berlin rund um Prof. Eckhard Flöter und Tim Terstegen – darunter Untersuchungen zur Reinheit, zum Amylosegehalt, zur thermische Verkleisterung, zur Heißkleisterviskosität, sowie zu Gelfestigkeiten.
Von einer Auswahl an Erbsensorten wurde Stärke im größeren Maßstab extrahiert, um am ILU Praxisversuche durchzuführen. Zum Beispiel stellten die Wissenschaftlerinnen Glasnudeln her – händisch und mit dem institutseigenen Planetwalzenextruder des Herstellers Entex Rust & Mitschke GmbH aus Bochum. Dazu ILU-Projektleiter Martin Almendinger: „Eines der Hauptkriterien unserer Glasnudeln war eine farblose Transluzenz (partielle Lichtdurchlässigkeit) zu gewährleisten.“ Denn Glasnudeln sollen durchscheinend, aber nicht transparent sein. „In unseren Versuchen entstanden unter anderem Glasnudeln mit optischen Mängeln, wie farbigen Einschlüssen, opaken (milchig-trüb) Bereichen innerhalb der Glasnudeln oder Rissbildung und Brüchigkeit – und das, obwohl wir mikroskopisch keine Unterschiede in der Reinheit der Stärken feststellen konnten“, berichtet Almendinger. Die Ursache dafür sind bislang nicht geklärt. Einige der Mängel, wie der Einschluss von Luftblasen, lassen sich wahrscheinlich auf Fehler während des Herstellungsprozesses zurückführen. Die opaken Bereiche könnten aus nicht verkleisterter Stärke bestehen. „Solche Annahmen müssten in Wiederholungsversuchen und weiteren Untersuchungen abgeklärt werden.“ Eine allgemeine Verfärbung oder Trübung der Glasnudeln deutet meist auf Rückstände von Fasern in der Stärke. „Aber“, macht Almendinger deutlich, „wir konnten mit einigen Erbsenstärken auch makellose Glasnudeln produzieren“. Generell ergab das Screening, dass die Stärke je nach Erbsensorte sehr unterschiedlich ausfallen kann.
Klima beeinflusst Stärkebildung
Aber auch innerhalb gleicher Sorten kam es zu starken Schwankungen in den Stärkequalitäten. Hierfür machen die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen unterschiedliche klimatische Bedingungen verantwortlich. Diese spannenden Erkenntnisse erbrachte insbesondere der Vergleich von gleichen Sommererbsensorten aus demselben Anbaugebiet über die Jahre 2020, 2021 und 2022. Aus diversen Studien ist bekannt, dass die klimatischen Bedingungen großen Einfluss auf die Erbsenzusammensetzung und damit auch auf den Stärkegehalt haben. Wie sich diese Bedingungen auf die Stärkequalität auswirken, ist bislang jedoch kaum beschrieben. Mehr Sonne kann höhere Stärke-Anteile in der Erbse bewirken, ausgelöst durch erhöhte Photosynthese- und Enzymaktivität. Auch die Menge an Wasser, die den Pflanzen zur Verfügung stand, beeinflusst die Bildung der Stärke. Aber wie groß der Einfluss ist, können die beteiligten Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen noch nicht sagen.
Die Suche nach Zusammenhängen für diese Varianzen brachte keine zufriedenstellenden Ergebnisse. Dazu bräuchte es weitere Analysen und Wiederholungsversuche. „BIOStärke war ein gutes Projekt. Dieses erste Screening von Erbsensorten brachte uns wirklich weiter. Hierauf ließe sich aufbauen“, so Almendinger.
Die wichtigsten Erkenntnisse des Projekts fasst Martin Almendinger so zusammen: „Für die Industrie können wir anhand der Ergebnisse noch keine Empfehlung für spezielle Sorten geben. Darüber hinaus muss man im Hinterkopf behalten, dass die weiterverarbeitende Industrie ein stark umkämpftes Feld ist, bei dem der Rohstoffpreis eine große Rolle spielt.“
Ein Praxismerkblatt aus diesem Projekt soll über die gewonnen Erkenntnisse den Landwirten und Verarbeitern entsprechende Hinweise geben. Die Ergebnisse der Untersuchungen mündeten in eine Datenbank aus über 150 Erbsensorten und ihren Stärkeeigenschaften, die für weitere Forschungsarbeiten genutzt werden kann.
Pressemitteilung des ILU vom 22.11.2024.