Im Rahmen des ERASMUS+-Programms entwickelt ein europäisches Konsortium unter Beteiligung des Kunststoff-Instituts Lüdenscheid einen hybriden Weiterbildungskurs für die zirkuläre Kreislaufwirtschaft in der Kunststoffverarbeitung. Ziel ist die Etablierung standardisierter Lernmodule, die auf allen Qualifikationsniveaus anwendbar sind – von der beruflichen Erstausbildung bis zur betrieblichen Weiterbildung.
Bildung für den Wandel: Europäische Lernplattform zur zirkulären Kreislaufwirtschaft in der Kunststoffverarbeitung
Einblicke in ein internationales EU-Projekt zur Qualifizierung von Fachkräften für nachhaltige Produktionssysteme
Die Kunststoffindustrie steht in besonderer Verantwortung, wenn es um nachhaltige Ressourcennutzung und Umweltverträglichkeit geht. Im Rahmen des EU-Bildungsprogramms ERASMUS+ arbeitet ein internationales Konsortium an der Entwicklung von CIRCVET, einer virtuellen Lernplattform, die neue Maßstäbe in der beruflichen und akademischen Aus- und Weiterbildung zur zirkulären Kreislaufwirtschaft setzt.
Projektziel: Green Skills für Europas Kunststoffbranche
Das CIRCVET-Projekt verfolgt das Ziel, den bislang umfangreichsten, kostenfreien und bedarfsorientierten Ausbildungskurs zur zirkulären Kreislaufwirtschaft für die Kunststoffverarbeitung bereitzustellen. Die Lerninhalte sind maßgeschneidert auf die realen Anforderungen der Industrie und vereinen das Know-how von zwölf Partnerinstitutionen aus sechs EU-Staaten – darunter Hochschulen, Forschungszentren, Berufsbildungsstätten, Industriecluster und KMU-Vertreter.
Konkret sind vertreten: Spanien, Portugal, Frankreich, Italien, Deutschland, Litauen.
Im Zentrum steht der Aufbau sogenannter Green Skills – Kompetenzen, Werte und Einstellungen, die zur Entwicklung und Unterstützung einer nachhaltigen, ressourceneffizienten Wirtschaft erforderlich sind.
Struktur und Umsetzung der Lernplattform
Der modulare Kurs ist sowohl synchron (mit direkter Betreuung) als auch asynchron (im Selbststudium) verfügbar und umfasst folgende zentrale Schritte:
1. Bedarfsermittlung: Zielgruppen durchlaufen eine Analyse zur Ermittlung ihrer Vorkenntnisse und Lernbedarfe.
2. Personalisierte Kurszusammenstellung: Basierend auf den Ergebnissen wird ein passender Modulkatalog zusammengestellt.
3. Kursdurchführung: Die Inhalte werden über eine MOOC-basierte E-Learning-Plattform vermittelt.
4. Zertifizierung: Nach erfolgreichem Abschluss aller Module erhalten Teilnehmer ein offiziell anerkanntes EU-Zertifikat.
Der Kurs ist auf drei Bildungsniveaus ausgelegt:
I-VET-VET – Berufsschulische Erstausbildung Diese Stufe richtet sich an Lernende in der beruflichen Erstausbildung – also an Auszubildende, die sich auf einen anerkannten Ausbildungsberuf vorbereiten (z. B. Verfahrensmechaniker/in Kunststofftechnik). Die Kursinhalte werden im Präsenz- oder Live-Online-Format vermittelt, d. h. in synchroner Form mit direkter Betreuung durch Ausbilder oder Lehrkräfte. Die Gesamtstundenanzahl beträgt 25 Unterrichtsstunden.
I-VET-HE – Hochschulische Erstausbildung Dieses Kursformat richtet sich an Studierende auf Hochschulebene, insbesondere in ingenieurwissenschaftlichen oder umwelttechnischen Studiengängen. Auch hier erfolgt der Unterricht synchron, etwa durch Live-Webinare oder Präsenzveranstaltungen an Universitäten und Fachhochschulen. Der Umfang beträgt 18,75 Stunden, da Inhalte stärker komprimiert und auf akademisches Vorwissen abgestimmt sind.
C-VET – Berufliche Weiterbildung für Beschäftigte Diese Kursvariante ist für bereits berufstätige Fachkräfte konzipiert, die ihre Kenntnisse im Bereich der Kreislaufwirtschaft vertiefen möchten – etwa Produktionsleiter, Techniker oder Nachhaltigkeitsverantwortliche. Die Module stehen im asynchronen Selbstlernformat zur Verfügung: über eine E-Learning-Plattform mit Videos, Übungen und Arbeitsmaterialien, die flexibel und zeitunabhängig bearbeitet werden können.
Thematische Schwerpunkte des Kurses sind:
1. Kreislaufwirtschaft & systemische Strategien Einführung in grundlegende Konzepte der Circular Economy, einschließlich rechtlicher Rahmenbedingungen, Umsetzungsmöglichkeiten im industriellen Maßstab und strategischer Planung zur Schließung von Stoffkreisläufen.
2. Ökodesign und Life Cycle Assessment (LCA) Vermittlung von Methoden zur ökologisch optimierten Produktgestaltung, Bewertung ökologischer Auswirkungen entlang des gesamten Lebenszyklus (z. B. mit LCA-Software), und Einbindung von Umweltkennzeichnungen und End-of-Life-Szenarien in das Produktdesign.
3. Digitale Kompetenzen Anwendung digitaler Technologien wie Blockchain für Materialrückverfolgbarkeit, Künstliche Intelligenz zur Prozessoptimierung, IoT, Big Data, Augmented Reality und Cybersecurity – zentrale Enabler für eine intelligente und vernetzte Kreislaufwirtschaft.
4. Recyclingprozesse und Werkstoffkreisläufe Vertiefung aktueller Recyclingmethoden (mechanisch, chemisch), Bewertung von Up- und Downcycling-Prozessen, Umgang mit Verbundmaterialien und Anforderungen an sortenreine Stoffströme in unterschiedlichen Industriezweigen.
5. Fertigungsprozesse unter Nachhaltigkeitsaspekten Nachhaltige Gestaltung von Produktionsprozessen unter Einbeziehung recycelter, biobasierter oder biologisch abbaubarer Materialien – mit Fokus auf Wirtschaftlichkeit, Energieeffizienz und Produktqualität.
6. Nutzerbedürfnisse und Marktmechanismen Analyse von Verbrauchererwartungen, Zahlungsbereitschaft für nachhaltige Produkte, Bedeutung von Ökolabels und der Kommunikation ökologischer Produktvorteile zur Förderung von Marktakzeptanz.
7. Wertschöpfung durch Wiederverwertung Darstellung von Konzepten der stofflichen Verwertung, Design-for-Reuse und Demontagefähigkeit sowie Entwicklung effizienter Logistik- und Rückführungssysteme zur Integration sekundärer Rohstoffe.
8. Unternehmertum & neue Geschäftsmodelle Förderung von Innovationskompetenz zur Entwicklung zirkulärer Geschäftsmodelle, Technologietransfer, Start-up-Förderung und rechtliche Grundlagen geistigen Eigentums in nachhaltigkeitsorientierten Unternehmen.
Europäische Zusammenarbeit – lokal verankert
Begleitet wird die technische Entwicklung durch regelmäßige Projekttreffen der internationalen Arbeitsgruppe. Diese Meetings werden mit Workshops vor Ort in den Partnerländern kombiniert – jeweils in enger Kooperation mit regionaler Industrie und Bildungseinrichtungen. So fließt praktisches Erfahrungswissen direkt in die Kursentwicklung ein.
Gerade in Zeiten globaler Unsicherheiten und geopolitischer Spannungen zeigt sich, wie essenziell ein starker europäischer Zusammenhalt ist. Die enge Zusammenarbeit über Ländergrenzen hinweg – wie sie in diesem Projekt gelebt wird – stärkt nicht nur den technologischen Fortschritt, sondern auch das gegenseitige Vertrauen und die Resilienz der Europäischen Union. Gemeinsame Bildungsinitiativen und der Austausch von Know-how fördern ein vereintes Europa, das in der Lage ist, globalen Herausforderungen mit einer geeinten Stimme zu begegnen und seine Werte sowie wirtschaftliche und technologische Souveränität zu behaupten.
Der Validierungsprozess ist gestartet
Im Februar 2025 wurde mit dem Validierungsprozess der CIRCVET-Plattform ein zentrales Projektziel erreicht. Am 19. Februar fand in Alessandria (Italien) der erste Validierungsworkshop mit Unternehmensvertretern statt. Die vorbereiteten Module des kostenfreien Schulungskurses „Circular Economy Expert in Sustainable Plastic Products“ wurden präsentiert und anhand eines Kompetenztests – insbesondere durch Fachkräfte aus dem Verpackungssektor – auf Praxistauglichkeit geprüft.
Direkt im Anschluss tagte der Lenkungsausschuss des Projekts beim Partnerunternehmen Proplast. Im Mittelpunkt der zweitägigen Sitzung standen die finalen Key Performance Indicators (KPIs), strategische Kommunikations- und Verwertungsmaßnahmen sowie ein spezifischer Workshop zur Ableitung geeigneter Verwertungsstrategien. Im Rahmen eines moderierten Brainstormings analysierten die Partner Risiken, Chancen und praxisnahe Umsetzungsmodelle zur nachhaltigen Nutzung der Projektergebnisse.
Der multidisziplinäre Austausch – über Länder-, Sprach- und Institutionengrenzen hinweg – führte zu konkreten Ansätzen zur Überwindung identifizierter Hürden.
Den Abschluss bildet im Juni 2025 ein letztes Projekttreffen, das von der Universität Las Palmas de Gran Canaria ausgerichtet wird. Dort soll entschieden werden, wie CIRCVET über die Projektlaufzeit hinaus verstetigt und in die europäische Bildungslandschaft integriert wird.
Wer über die nächsten Schritte und Events informiert bleiben möchte, kann den CIRCVET-Newsletter abonnieren.
Unter dem Link www.circvet.eu kann sich jeder Interessierte kostenfrei für den Lehrgang registrieren und ihn absolvieren.
Fazit
Mit einem Budget von 1,9 Millionen Euro (Förderquote 80 %) und einer Laufzeit bis August 2025 markiert CIRCVET einen innovativen Bildungsansatz im Zeichen der Nachhaltigkeit. Das Projekt leistet nicht nur einen Beitrag zur ökologischen Transformation der Kunststoffindustrie, sondern zeigt auch, wie europäische Bildungskooperation konkret aussehen kann – praxisnah, digital und zukunftsorientiert.
Pressemitteilung des KIL vom 16.06.2025.