Im Interview mit den ZUSE TRANSFERNEWS spricht sich die SPD-Bundes-tagsabgeordnete Yasmin Fahimi für gezielte Innovationsförderung aus und setzt weniger auf steuerpolitische Instrumente. Perspektivisch kann sie sich vorstellen, einen eigenen Haushaltstitel für die gemeinnützigen For-schungsinstitute im Bundeshaushalt zu verankern. Mit Blick auf die geringen Anteile von Frauen in MINT-Studiengängen wirbt Fahimi für einen "Kulturwechsel in den Köpfen der Wissenschaft". Eine Möglichkeit könnte sein, an Hochschulen weiblich belegte Studienplätze, zumindest temporär, höher zu refinanzieren.
Was verbindet Sie und was verbinden Sie mit der Zuse-Gemeinschaft?
Yasmin Fahimi: Ich bin Mitglied im Senat der Zuse-Gemeinschaft. Eine Aufgabe, die ich gern, insbesondere als Mitglied im Bundestagsauschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung, übernommen habe. Mit der Zuse-Gemeinschaft verbinde ich konkret die sehr praktische Trans-ferleistung, die von ihr als Verbund gemeinnütziger und anwendungs-orientiert forschender Institute ausgeht. Sie übernimmt damit in Zeiten vielfältiger Transformationen in wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hinsicht eine überaus wichtige Rolle bei der Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse in anwendbare Technologien. Damit ist die Zuse-Gemeinschaft ein Impulsgeber gerade auch für KMU und sichert Innovationskraft, die Deutschland dringend braucht.
Als Hannoveranerin und Forschungspolitikerin, sie sind stv. Sprecherin der AG Bildung und Forschung in der SPD-Bundestagsfraktion, setzen Sie eine Tradition prominenter SPD-Politikerinnen aus der niedersächsi-schen Landeshauptstadt fort – Edelgard Bulmahn war die letzte SPD-Forschungsministerin. Haben Sozialdemokratinnen aus Hannover ein Gen für die Forschungspolitik?
Yasmin Fahimi: (lachend) Als sozialdemokratische Forschungs- und Bildungspolitikerin aus Hannover kann ich diese Frage natürlich nur mit „Ja“ beantworten. Aber im Ernst: Selbstverständlich ist Forschungspolitik ein wichtiges Thema für Hannover. Wir sind ein großer Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort. Diesen weiterzuentwickeln ist auch ein Garant für gute Arbeitsplätze von morgen. Da ist es nicht so abwegig als sozialdemokratische Hannoveranerin diesen Aspekt in der eigenen politischen Arbeit als Schwerpunkt zu begreifen.
Hannover und sein Umland sind nicht nur durch Universität und Hochschulen, sondern auch durch außeruniversitäre Forschungseinrichtungen wichtige Standorte für Wissenschaft und Wirtschaft. Dazu gehören auch Institute der Zuse-Gemeinschaft wie IPH und ISFH.
Zwar steigen die Anteile von Frauen in MINT-Studiengängen wie Elektrotechnik und Maschinenbau allmählich, bewegen sich aber weiter auf niedrigem Niveau. Als Chemikerin wissen Sie um die Situation. Welche Maßnahmen bieten sich an, um den Anteil von Frauen in MINT-Studiengängen und MINT-Berufen zu steigern?
Yasmin Fahimi: Sie haben Recht. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass der weibliche Weg in MINT-Studiengänge bzw. entsprechende Berufe oft ein steiniger ist. Sowohl im E-Technik-, als auch im Chemiestudium habe ich erlebt, dass bei Frauen die Ernsthaftigkeit und deren Talent zur Wissenschaft relativiert werden. Da hört man süffisante Bemerkungen, wie „Oh, blond und trotzdem eine richtige Antwort.“ oder „Sie brauchen doch keine Promotion. Sie werden doch sicherlich bald Kinder bekommen.“
Für mich ist klar: Wir brauchen immer noch einen Kulturwechsel in den Köpfen der Wissenschaft. Eine Möglichkeit könnte sein, an Hochschulen weiblich belegte Studienplätze, zumindest temporär, höher zu refinanzieren. Das könnte vielleicht eine intrinsische Motivation an den Hochschulen auslösen, um Studentinnen zu werben.
Aber Prägungen entstehen früh und deswegen müssen wir bereits in den KiTas ganz bewusst spielerisch Technik und naturwissenschaftliche Mini-Versuche in den alltäglichen Ablauf einbauen.
Und Ja, wir brauchen bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Frauen UND Männer. Wir müssen konkret Rahmenbedingungen schaffen, damit sich Frauen nicht nur für MINT-Studiengängen einschreiben, sondern später auch weitere Führungspositionen in Hochschulen und Forschungseinrichtungen übernehmen. Beispielsweise können eine verbesserte Kinderbetreuung an der Universität oder Forschungseinrichtung und flexiblere Arbeitszeitmodelle helfen, junge Nachwuchswissenschaftlerinnen auf ihrem Weg zu unterstützen.
Im Grundsatzprogramm der SPD, dem Hamburger Programm heißt es: „Damit neue Ideen rasch in neue Produkte und neue Arbeitsplätze umgemünzt werden, wollen wir eine Politik, die Forschung, Produktentwicklung und unternehmerische Investitionen eng miteinander vernetzt“. Wie wollen Sie dieses schon 2007 gesteckte Ziel erreichen?
Yasmin Fahimi: Zum 1. Januar ist die steuerliche Forschungsförderung in Kraft getreten. Wir versprechen uns davon, dass deutsche Unternehmen stärker in Forschung und Entwicklung investieren und zwar auch insbesondere in personalintensive Forschung. Das reicht aber nicht. Ich bin gerade in Gesprächen zur verbesserten Förderung anwendungsorientierter Forschung, wie sie von den Instituten der Zuse-Gemeinschaft betrieben wird. Dazu muss das Programm INNO-KOM ausgeweitet werden, sodass die Förderung nicht nur dann erfolgt, wenn die jeweiligen Institute in einer strukturschwachen Region verortet sind. Ich könnte mir aber darüber hinaus auch vorstellen, perspektivisch einen eigenen Haushaltstitel für die gemeinnützigen Forschungsinstitute im Bundeshaushalt zu verankern.
Neben seiner Industriestrategie hat Bundeswirtschaftsminister Altmaier im Herbst eine Mittelstandsstrategie vorgelegt. Eines der darin ausgegebenen Ziele: Die Innovatorenquote, also den Anteil Neuerungen hervorbringender Unternehmen in Deutschland, bis 2025 wieder auf 40% zu steigern. Ist das für Sie angesichts des langfristig rückläufigen Trends bei der Innovatorenquote, die zuletzt auf 36% sank, ein realistisches Ziel?
Yasmin Fahimi: Das Ziel ist durchaus realistisch. Aber die Maßnahmen sind noch nicht ausreichend. Deswegen hilft es hier, wie auf anderen Politikfeldern, wenig über Ziele zu streiten. Der Fahrplan muss konkret stimmen. Damit wieder mehr Unternehmen Neuerungen hervorbringen, setze ich weniger auf steuerpolitische Instrumente, sondern vor allem auf gezielte Innovationsförderung.
Dieses Interview erschien am 3. Februar 2020 in den ZUSE TRANSFERNEWS.