Sei es für Bauwerke wie Brücken, für Infrastruktur wie Schienenwege oder für Hightech in der Medizin: Das Schweißen ist das wohl wichtigste Verfahren, um Materialien in Industrie und Gewerbe zusammenzufügen. Weil es um langlebige Produkte geht, ist der Schutz vor Korrosion und anderen Schäden beim Schweißen umso wichtiger.
Für eine sehr anspruchsvolle Schweißtechnik, das Schutzgasschweißen, hat das Unternehmen Oscar PLT GmbH zusammen mit dem ifw Jena, Mitglied der Zuse-Gemeinschaft eine innovative Düse entwickelt, die solchen Schutz bietet und zugleich individuell realisierbar ist: Sie lässt sich im 3D-Drucker additiv herstellen. Es geht um eine sogenannte Schleppgasdüse, die das das schützende Gas hinter der Schweiß-Elektrode „herschleppt“, sodass es direkt auf die Schweißnaht geleitet wird.
Bei Schleppgasdüsen verhindert das Schutzgas, dass Sauerstoff an die Schweißnaht kommt, was Langlebigkeit und Korrosionsbeständigkeit verringern würde.
Am ifw Jena | Günter-Köhler-Institut für Fügetechnik und Werkstoffprüfung GmbH gehört die Forschung zur additiven Fertigung von Metall und Stahl zu den Schwerpunkten. „Die Verfahren bieten unschlagbare Vorteile im Vergleich zu herkömmlichen Verfahren wie Spanen oder Fräsen“, sagt Sebastian Matthes, Gruppenleiter Additive Fertigung am ifw Jena. „Neben der Ressourcenersparnis eröffnen sie große Freiheiten bei der Konstruktion. Sie ermöglichen komplexe innere Strukturen, die sonst nicht möglich wären.“
Diese neuen Möglichkeiten für Konstrukteure machte sich das ifw Jena gemeinsam mit der Oscar PLT, der Forschungsgesellschaft der Kjellberg-Stiftung zunutze, als es um die Entwicklung der neuartigen Schleppgasdüse ging. „Durch den schichtweisen Aufbau können wir die Düsen individuell für jede Schweißaufgabe anpassen und auch bei komplexen Formen innere Kanäle für Gas und Kühlung realisieren.“, sagt Michael Dreher, Produktverantwortlicher bei Oscar PLT. „Die Schleppgasdüsen wurden durch Strömungssimulation und experimentelle Methoden ausgelegt und durch reale Schweißversuche umfangreich erprobt.“
Die neue Düse bewährt sich nicht zuletzt für das Fügen bei schutzgassensiblen Werkstoffen wie Titan-, Magnesium- oder Nickelbasislegierungen. Die Partner optimierten dabei immer wieder die Konstruktion der Schleppgasdüsen und die Parameter für die pulverbettbasierte Fertigung. Im Werkstoffprüflabor des ifw Jena wurde die Qualitätssicherung der Prototypen durchgeführt. Mit Rasterelektronenmikroskopie, Durchstrahlungsprüfung und Analysen zur Verteilung chemischer Elemente in den Bauteilen, der sogenannten EDX-Analyse, stellte das Institut sicher, dass alle gefertigten Schweißdüsen die Qualitätsanforderungen erfüllen. Die Schleppgasdüsen sind mittlerweile erfolgreich in die industrielle Serienproduktion übernommen worden.
Schleppgasdüsen sind in der industriellen Praxis starken Beanspruchungen ausgesetzt. Hohe Temperaturen oder auch Schweißspritzer führen zu Verschleiß, sodass die Düsen oft nach kurzer Zeit ersetzt werden müssen. Die neue Düse kombiniert Langlebigkeit und Zuverlässigkeit mit individuellen Möglichkeiten in der Fertigung.
Stand: Juli 2020
Dieses Interview erschien in den ZUSE TRANSFERNEWS vom 07. September 2020.