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Mit mikrofrästechnischen Verfahren werden Schmierstoffpuffer in den Proben angelegt. Bildquelle: Dennis Kensy, ISF.

RIF entwickelt ein hybrides Fertigungsverfahren zur Beschichtung und Oberflächenstrukturierung für extreme Anforderungen an Standzeit und Belastbarkeit von Bauteilen.

Überall dort, wo extrem beanspruchte Bauteile lange Zeit stabil gegen Verschleiß geschützt werden sollen, geht an Wolframcarbid-Beschichtungen kein Weg vorbei. Die Beschichtungen, beispielsweise für Turboladerwellen im Automobilbau, können per Hochgeschwindigkeitsflammspritzen (HVOF) aufgebracht werden. Da sie im „as-sprayed“-Zustand rau sind, müssen sie zur Reduzierung der Reibung und Erhöhung der Langzeitstabilität mechanisch nachbearbeitet, beispielsweise geschliffen und poliert werden. Danach kommen sie meist in Kombination mit Schmierstoffen zum Einsatz. Gegenüber dem Stand der Technik könnten die Reibungskoeffizienten solcher Bauteile daher durch Texturierung der Oberflächen als Schmierstoffpuffer zusätzlich um bis zu 10 Prozent gesenkt werden. Die Entwicklung eines hybriden Fertigungsprozesses für eine solche Performancesteigerung, die erhebliche technische und wirtschaftliche Vorteile gegenüber Konkurrenzsystemen aufweisen würde, ist Ziel des Forschungsprojekts „CoatingStruc“. Das RIF Institut für Forschung und Transfer e.V., Dortmund, arbeitet mit dem Institut für Spanende Fertigung der TU Dortmund (ISF) sowie den Industriepartnern Rhein-Ruhr Beschichtungsservice GmbH und Stangl & Co. GmbH an einer anwendungsnahen Realisierung dieser vielversprechenden Innovation.

Das Forschungsprojekt „CoatingStruc – Innovativer, hybrider Herstellungsprozess texturierter, thermisch gespritzter Oberflächensysteme zur Verbesserung von Reibungskoeffizienten um bis zu 10 %“ ist Mitte 2021 gestartet.

Zunächst wurde am RIF mit statistischer Versuchsplanung eine Auswahl grundsätzlich geeignet erscheinender Beschichtungsarchitekturen entwickelt. Neben Wolframcarbid-Kobalt (WC-Co) wurden auch Wolframcarbid-Kobalt-Chrom (WCCoCr) und Wolframcarbid-Nickel-Chrom (WCNiCr) eingesetzt. Ebenso wurden einige marktübliche Beschichtungen in Betracht gezogen. Alle Schichten wurden vom Rhein-Ruhr Beschichtungsservice unter konstanten Parametern auf planebene Probenkörper aufgebracht. Diese Schichtsysteme sind am RIF inzwischen umfassend metallografisch, mikroskopisch, röntgenografisch und mechanisch-technologisch untersucht worden. Neben mechanischen Kennwerten, wie Härte, Bruchzähigkeit und Porosität, spielten mit Blick auf die Zerspanbarkeit, also die spätere Strukturierung der Oberflächen, auch mikrostrukturelle Parameter, wie Eigenspannungen, Kontiguität, mittlere freie Weglänge und die Primärkarbidgröße der WC-Hartphase, eine Rolle. So konnten fünf verschiedene Schichtsysteme mit mehreren Modifikationen als vielversprechend für die weitere Forschung identifiziert werden.

Im Rahmen der Entwicklung der mikrofrästechnischen Verfahren wurden zudem neun Proben am ISF mit verschiedenen Schmierstoffpuffern versehen.  Dabei wird der Zerspanungsprozess zur Herstellung der tribologisch optimierten „Tailored Surfaces“ simulationsunterstützt und mit gezielter Parameterjustierung ausgelegt. Inspirationen für das Design der Texturen liefern neben technologischen Ansätzen auch bionische Vorbilder, etwa die Panzerschichten von Käfern. Zur Erzeugung der Oberflächen werden diamantbeschichtete Werkzeuge im Verfahren der Mikrofräsbearbeitung eingesetzt. Diese präzise gefertigten „Gravuren“ bieten im Vergleich zu herkömmlichen lasergestützten Verfahren nicht nur Vorteile in Hinblick auf die in der Schicht eingebrachten Druckeigenspannungen, sondern vermeiden auch typische Risiken wie thermisch verursachte Phasenumwandlungen in der Beschichtung.

Die ersten Ergebnisse sind vielversprechend, doch bis zu einem praxistauglichen Prototypen liegt noch viel Arbeit vor dem Team: Verschiedene Oberflächenstrukturen werden derzeit anhand tribologischer Untersuchungen für unterschiedliche Schichtsysteme bewertet und verglichen. Für erfolgversprechende Texturen gilt es zudem, diese passend in ihrer Strukturgröße und -dichte zu skalieren sowie die Standzeit der Fräswerkzeuge mittels geeigneter Prozessparameter zu steigern. Zudem müssen Zerspanungs-, Beschichtungs- und Nachbearbeitungsprozesse aufeinander abgestimmt werden. Diese müssen sich auch bei Skalierung der Stückzahl im industriellen Maßstab bewähren. Während sich die ersten Versuche auf planebene Bauteile beschränken, müssen anwendungsgerechte Verfahren auch auf zylindrische Bauteile übertragen werden. Hierfür ist das Know-how der beiden Industriepartner besonders gefragt.

Zum Ende des Projekts Mitte 2024 soll ein Demonstrator-Bauteil erstellt werden. „Wir sind gut gestartet und zuversichtlich, dass wir eine neuartige Beschichtung und Texturierung darstellen und validieren können, die unter anwendungsorientierten Betriebsbedingungen die Reibkoeffizienten im Vergleich zum Referenzfall um fünf bis zehn Prozent verbessern wird“, sagt RIF-Vorstand Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Tillmann.

Pressemitteilung des RIF vom 01.08.2023.