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Die Fernsteuerung durch einen Drohnenpiloten ist künftig nicht mehr notwendig. Im Forschungsumfeld funktioniert der autonome Indoor-Drohnenflug bereits – bis zur Marktreife müssen allerdings noch Sicherheitsrisiken behoben werden. Bildquelle: Charlene Engelhardt, IPH gGmbH

Eine Drohne, die in unbekannten Innenräumen autonom fliegen kann, haben Forschende am Institut für Integrierte Produktion Hannover gGmbH (IPH) im Projekt „Autodrohne in der Produktion“ entwickelt. Zur Navigation nutzt sie bordeigene Sensoren, die das GPS ersetzen. Im Forschungsumfeld funktioniert der Indoor-Drohnenflug, marktreif ist das System allerdings noch nicht – weil die Forschenden auf unerwartete Sicherheitsprobleme gestoßen sind, die weiter untersucht werden müssen.

GPS funktioniert nur unter freiem Himmel. Unbemannte Luftfahrtsysteme (engl. Unmanned Aircraft System, UAS) können sehr zuverlässig navigieren, solange sie draußen fliegen. In geschlossenen Räumen würden sie außer Kontrolle geraten und abstürzen.

Für den Drohnenflug im Indoor-Bereich ist daher eine völlig andere Art der Navigation notwendig – und ein völlig neues Sicherheitskonzept. Beides existierte nicht, als das IPH im Oktober 2020 begonnen hat, den autonomen Drohnenflug im Produktionsumfeld zu erforschen. Im Laufe der vergangenen zwei Jahre haben die Wissenschaftler:innen im Projekt „Autodrohne in der Produktion" eine Indoor-Navigation entwickelt, den Prototypen einer autonom fliegenden Indoor-Drohne gebaut und ein Sicherheitskonzept erarbeitet. Die „Autodrohne" kann unbekannte Innenräume autonom erkunden, ohne von einem Drohnenpiloten ferngesteuert zu werden und ohne zuvor mit einer Umgebungskarte ausgestattet zu werden.

Navigation ohne GPS

Die Indoor-Navigation funktioniert nach dem Prinzip einer Computermaus. Mithilfe eines sogenannten Optical-Flow-Modules und einer Kamera, die auf den Boden gerichtet ist, bestimmt die „Autodrohne" ihre Position. Wenn sie sich bewegt, erkennt sie die relative Abweichung von ihrer Ausgangsposition. Für Flugstabilität sorgt darüber hinaus die Inertial-Measurement-Unit (IMU): Sie misst unter anderem die Beschleunigung und Orientierung während des Fluges. Die IMU und das Optical-Flow-Module ersetzen gemeinsam das GPS.

Um den autonomen Flug in unbekannten Innenräumen zu ermöglichen, ist die Drohne zusätzlich mit einem LiDAR-Sensor zur automatisierten Kollisionsvermeidung ausgestattet – einem Laser-Scanner, der Hindernisse erkennt und somit verhindert, dass die Drohne gegen Wände, Regale oder Maschinen fliegt.

Doch wie kann sich die „Autodrohne" selbstständig und ohne Umgebungskarte in unbekannten Räumen zurechtfinden? Beim Start kennt sie nur ihre unmittelbare Umgebung. Während des Fluges erkundet sie Stück für Stück den Raum und der Bordcomputer erstellt in einem 3D-Raster automatisiert eine Karte, die kontinuierlich erweitert wird. Damit die Erkundung des Raumes systematisch ablaufen kann, haben die Forschenden zwei Algorithmen implementiert: Den A*-Algorithmus zur Planung von Wegstrecken sowie einen selbst entwickelten Punktwolkenfilter. Dieser identifiziert Randbereiche der Karte und unterscheidet zwischen festen Grenzen und offenen Rändern. Der Punktwolkenfilter legt einen Punkt am offenen Rand als Zielposition fest, der A*-Algorithmus plant die Route von der aktuellen Position der Drohne zu dieser Zielposition. Ist die Zielposition erreicht, legt der Punktwolkenfilter ein neues Ziel fest – so lange, bis sich im Randbereich der Karte nur noch feste Grenzen wie beispielsweise Wände, Regale oder Maschinen befinden. Dann ist der gesamte Raum erkundet.

Ein möglicher Anwendungsfall für diesen autonomen Erkundungsflug ist die Layouterfassung: Die Drohne fliegt autonom durch Fabrikhallen und erstellt ein virtuelles Modell, das anschließend als Grundlage für Fabrikplanungsprojekte dienen kann.

Sicherheit im Drohnenflug

Im Forschungsumfeld funktioniert der autonome Drohnenflug – für den Einsatz in der industriellen Praxis müssen aber noch einige Hürden überwunden werden. Denn bei der Entwicklung des Sicherheitskonzepts sind die Forschenden auf Risiken gestoßen, die den Markteinsatz derzeit noch verhindern und weitere Forschung notwendig machen.

Grundsätzlich ist für den Einsatz in der Industrie eine Gefährdungsbeurteilung notwendig und es müssen Maßnahmen abgeleitet werden, um diese Gefährdungen zu reduzieren oder zu eliminieren. Bei den meisten Risiken, die durch eine Drohne entstehen, ist das ohne weiteres möglich: Die Gefahr eines Akku-Brandes lässt sich durch die richtige Wartung und Lagerung minimieren, Schnittverletzungen durch die Rotoren lassen sich durch einen Propellerschutz verhindern, die Schallemissionen einer Drohne sind im Vergleich zu anderen Maschinen in der Industrie vergleichsweise gering.

Die größte Hürde, auf die die Wissenschaftler:innen gestoßen sind, ist die geringe Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) einiger Navigationssensoren. Elektromotoren von Maschinen oder Gabelstaplern, stromdurchflossene Leiter, größere Metallansammlungen – all das kann die Navigationsfähigkeit einer Drohne sehr stark einschränken und im schlimmsten Fall zum Absturz führen. In Industrieumgebungen lassen sich solche elektromagnetischen Störungen nicht verhindern. Das macht es so schwierig, mit einer Drohne in einer Industriehalle zu navigieren. Bis zur Marktreife von industrietauglichen, autonom fliegenden und sicheren Indoor-Drohnen ist daher noch weitere Forschung und Entwicklung notwendig.

Pressemitteilung des IPH vom 13.12.2022.