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Tanja Stahn arbeitet beim Institut für Lebensmittel- und Umweltforschung (ILU) am Projekt PilzPack. Noch stünde viel Forschungsarbeit vor ihr, sagt sie. Bildquelle: ILU

Verpackung aus nachwachsenden Rohstoffen, die sich rückstandslos zersetzt? Dieses Ziel ist so wichtig wie nie und viele verfolgen es. Das ILU aus Bad Belzig setzt dabei auf die Kraft der Pilze.

Der tägliche Müll auf dieser Welt besteht zu großen Teilen aus Verpackungen. Auch wenn zumindest hierzulande einiges davon mehr oder weniger geregelt entsorgt oder recycelt wird, besteht doch Einigkeit darüber, Folien und Plastikschalen zu reduzieren. Dabei ist weniger das Weglassen von Verpackung realistisch als vielmehr neue Materialien einzusetzen. Das oft bemühte Wort von der Nachhaltigkeit ist hier an genau richtiger Stelle. Es kann nur ein Ziel geben: Stoffe nutzen, die aus nachhaltig bewirtschafteten Naturressourcen stammen, so dass sich daraus gefertigte Verpackungen, wieder möglichst rückstandslos zersetzen oder einem Kreislauf zugeführt werden können. Das Institut für Lebensmittel- und Umweltforschung (ILU) forscht genau daran.

Tanja Stahn sitzt im ILU-Labor und hält ein weißes, pelziges Objekt in ihren Händen. Die etwa untertassengroße Form erinnert an eine dickwandige Schale. Das allerdings ist der Tatsache geschuldet, dass es sich hierbei um einen ersten Prototypen handelt. „Seit zirka einem Jahr gelingen uns Formen in dieser Art“, berichtet die 34jährige. „Jetzt geht es darum, die Art, wie wir das Material in Form bringen, zu verfeinern. Hier haben wir noch Forschungsarbeit vor uns.“ Das Material, von dem die Diplomingenieurin spricht, ist Pilzmyzel.

Das Myzel, also der eigentliche Vegetationskörper der Pilze, durchzieht als ein schwammartiges, dichtes Netz den Boden (im Gegensatz zum Fruchtkörper der Pilze, der in der Regel oberirdisch wächst). Die Idee, die dichten Myzel-Strukturen für konkrete Gegenstände zu nutzen, entstand am Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung (IAP) in Potsdam. Dort lernte Ulrich Benedix, Geschäftsführer des landwirtschaftlichen Betriebes Agro Saarmund die Idee kennen und trat damit an das ILU heran.

Dreijahresprojekt PilzPack

Der Betrieb Agro Saarmund suchte nach einer umweltfreundlichen Verpackung für seine Fleischprodukte. Gemeinsam entwickelte man die grundsätzliche Idee: Pilzmyzel benötigt eine Grundlage, um zu wachsen. Das Substrat dafür sollte der landwirtschaftliche Betrieb gleich mitliefern, denn so ließe sich ein perfekter Kreislauf schließen. Die Ausgangslage: Die Agro Saarmund GmbH betreibt eine umfangreiche Bullenmast. Das Futter für die Tiere stammt von den eigenen Flächen, das Fleisch wird selbst vermarktet. Die beim Anbau der Futterpflanzen und bei der Pflege der Flächen anfallenden Mengen an Reststoffen sollen im Idealfall als Nahrungsgrundlage für das Myzel dienen, das dann als Einwegverpackung wieder im Betrieb eingesetzt wird. Somit wäre der Kreislauf geschlossen. Aus diesem Konzept entstand das Projekt „PilzPack“, das für drei Jahre angesetzt ist und vom Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz Brandenburg (MLUK) gefördert wird.

Einer der ersten Aufgaben von Tanja Stahn bestand darin, das passende Substrat zu finden. Zur Auswahl standen Roggen, Hanf, Sonnenblumenkerne, Heu, Stroh, Holzhackschnitzel und Paludi – also Schilf von vernässten Standorten – sowie Lavendel. Letzterer wächst nicht auf den Feldern der des beteiligten Agrarbetriebes, sondern stammt aus einem anderen Projekt. Die Forscherin und ihre Kollegen wollten aber auch damit experimentieren. Nach ersten Untersuchungen empfahl sich der Roggen als beste Grundlage für die Pilzkultur. Für die Stabilität der Schale werden zusätzlich faserhaltige Materialien benötigt, daher kommt auch Paludi und Hanf in die engere Auswahl. Die Schäben aus dem Hanfstroh sowie die Paludikultur müssen aber fein zerkleinert werden, um vom Pilz besiedelt zu werden.

Das Substrat wird zunächst in einer Labormühle zerkleinert, anschließend im Autoklav, einem gasdicht verschließbaren Druckbehälter, für 20 Minuten auf über 120 Grad Celsius erhitzt. So werden sämtliche Organismen abgetötet, damit diese nicht weiterwachsen. Schließlich soll ja nur das spezielle Pilzmyzel Lebensraum bekommen. Die Forscherin entschied sich mit ihren Kollegen für Ganoderma lucidum, oder auch Glänzender Lackporling, eine Pilz-Kultur, die sich unkompliziert vermehren lässt. Den Pilz, vorkultiviert auf Roggenkörnern, gibt Tanja Stahn anschließend auf das Substrat. Ein paar geimpfte Getreidekörner reichen, um das neue Heim zu besiedeln. Anschließend schiebt die Wissenschaftlerin die neue Pilz-Heimstätte in einen Klimaschrank, wo sich Ganoderma lucidum bei angenehmen 25 Grad Celsius 14 Tage lang entwickeln kann. Der Clou: Steckt man Substrat und Pilz in eine definierte Form, wächst das Myzel nicht in eine beliebige Richtung, sondern füllt die Form komplett aus. Nach 14 Tagen erhält man somit das Objekt seiner Wahl, erwachsen aus Myzel. Dabei ist das Pilzgeflecht äußerst leicht und, im getrockneten Zustand, stabil. Dass das Objekt getrocknet werden muss, ist zwingend, um den Pilz zu inaktivieren. Ansonsten würde er weiterwachsen.

Form aus dem 3D-Drucker

Da die ersten Prototypen noch recht klobig daherkamen, ließ das ILU eine Form aus Kunststoff entwerfen. Hierbei half das eigene Netzwerk – die Technische Hochschule Brandenburg konnte einspringen und fertigte die Negativform mit einem 3D-Drucker an. Diese ähnelt einer Gussform und besteht aus einer Außenwand und einem herausnehmbaren Innenteil – quasi eine Myzel-Wuchsform.

Erste Ergebnisse sind vielversprechend. Doch jetzt beginne die eigentliche Feinarbeit, so Stahn. Das Verfahren müsse nun perfektioniert werden. Dazu gehöre auch, den gesamten Prozess energetisch zu optimieren. Beispielsweise sei die Sterilisation des Substrats „noch ziemlich energieintensiv“, erklärt Stahn. Derzeit zeigt sich, Einwegverpackung aus Polypropylen zu ersetzen, ist wirtschaftlich noch schwer umzusetzen. Deshalb suchen die Projektverantwortlichen aktuell auch nach weiteren Verwertungsmöglichkeiten der Myzel-Verpackungsidee.

Wenn am Ende des Projektes eine erste gute Schale steht, „muss noch eine Beschichtung gefunden werden, um sie lebensmittelecht zu bekommen“, erklärt Stahn. Diese Aufgabe übernimmt übrigens das erwähnte IAP in Potsdam.

Pressemitteilung des ILU vom 20.09.2023.