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Prof. Steffen Tobisch. Bildquelle: IHD/Heinelt

Prof. Steffen Tobisch, Leiter des Instituts für Holztechnologie in Dresden (IHD), beschreibt Im Interview mit Agra-Europe aktuelle Forschungsaufgaben vor dem Hintergrund gesellschaftlicher und technischer Entwicklungen.

Im folgenden geben wir das Interview wieder, wie es im Presse- und Informationsdienst Agra-Europe am 2. September 2019 erschien.

Dresdener Institutsleiter Tobisch: Technologische Auswirkungen beachten - Holzindustrie und chemische Industrie seit langem auf Nadelholz eingestellt - Schwenk zu anderen Baumarten erfordert veränderte Ansätze - Plädoyer für stoffliche Nutzung - Potential beim Holzbau - Institut für Holztechnologie arbeitet an Substitution formaldehydhaltiger Leime

DRESDEN. Zu einem behutsamen Vorgehen beim Waldumbau rät der Geschäftsführer des Instituts für Holztechnologie (IHD) in Dresden, Prof. Steffen Tobisch. In einem Gespräch mit AGRA-EUROPE forderte der Wissenschaftler insbesondere mehr Aufmerksamkeit für technologische Aspekte in der Holzverarbeitung und -nutzung. „Die Holzindustrie und der Holzbau haben sich in den letzten 200 Jahren auf lange, geradschaftige Nadelholzsortimente eingestellt“, erläuterte Tobisch. Ähnliches gelte für die chemische Industrie, die sich ebenfalls seit langer Zeit darauf ausgerichtet habe, überwiegend Nadelholzsortimente zu verkleben. „Wenn jetzt ad hoc auf Laubholz umgeschwenkt werden soll, entstehen technologische Schwierigkeiten, die es zu lösen gilt“, gab der Institutsdirektor zu bedenken. Als ein Beispiel nannte Tobisch die Buche. Buchenholz verfüge über hohe Festigkeitseigenschaften, habe aber gravierende Nachteile hinsichtlich seiner biologischen Dauerhaftigkeit. Buche verrotte extrem schnell und habe von allen einheimischen Holzarten die größten Quell- und Schwindeigenschaften. Das bedeute, das Material arbeite stark und sei zudem sehr anfällig für Pilzbefall. Das IHD befasst sich dem Geschäftsführer zufolge unter anderem mit der Buche. Dabei gehe es auch um die Verklebung von Buchenholz, die sich bislang als schwierig erweise. Generell brauche man im Bereich der Laubhölzer neue Leime. Die Forschung zu neuen Bindemitteln ist Tobisch zufolge ein Schwerpunkt des Dresdener Instituts, das als eins von mehr als 70 Instituten zur ZUSE-Gemeinschaft zählt. Eine wichtige Rolle spielten dabei Stärke und Proteine. Ziel sei es, formaldehydhaltige Leime durch Stärkeklebstoffe zu ersetzen, weil Formaldehyd als krebserregend beim Menschen eingestuft sei.

Stoffliche Verwertung steuerlich benachteiligt
„Ich würde mir eine konsequentere Ausrichtung auf die stoffliche Verwertung von Holz wünschen“, erklärte der IHD-Geschäftsführer. Dem stehe bislang jedoch „eine exzessive energetische Nutzung“ teilweise entgegen. Untersuchungen hätten gezeigt, dass mehr als die Hälfte des verwendbaren Holzes energetisch genutzt werde. Während beispielsweise Holzpellets ursprünglich aus den Reststoffen der Sägewerke und der Holzwerkstoffindustrie gewonnen worden seien, gehe inzwischen eine hohe und zunehmende Anzahl von Bäumen direkt in die Pelletproduktion. Tobisch macht dafür auch eine ungleiche steuerliche Behandlung der Verwendungen für energetische und bauliche Zwecke verantwortlich. Während für Pellets 7 % Mehrwertsteuer anfalle, seien es für ein Sägewerksprodukt 19 %. „Hier müsste dringend vereinheitlicht werden, um die stoffliche Verwendung zu forcieren“, betonte der Wissenschaftler. Stärker als bislang müsse künftig der Kaskadennutzung bei Holz Rechnung getragen werden. Dazu beitragen könne auch der Aufbau eines funktionierenden Recyclingsystems für Holz. Energieholz, also schnellwachsende Holzarten wie Pappeln und Weiden, sollte Tobisch zufolge gezielt in Form von Kurzumtriebsplantagen angebaut werden. Bestehende rechtliche Probleme wie der Verlust des Status dieser Plantagen als Ackerfläche müssten allerdings gelöst werden.

Brandschutzvorgaben hemmen Holzbau
Noch erhebliches Potential sieht der Dresdener Wissenschaftler beim Holzbau. Die Holzbauquote in Deutschland liege derzeit bei unter 20 %. Eine Steigerung auf 25 % wäre nach Erachten von Tobisch kurzfristig und problemlos möglich. Insbesondere Brandschutzvorgaben stellten einen begrenzenden Faktor für den Holzbau dar. Die seien teilweise nach wie vor unnötig streng, in den Bundesländern zum Teil deutlich unterschiedlich und erschwerten, dass mehr mit Holz gebaut werde, kritisierte der IHD-Gechäftsführer. Bei Stallbauten bestehe das Problem, dass Holz durch Ammoniak, Methan oder Silagedämpfe angegriffen werde. Sein Institut übernehme vielfältige Aufgaben in der Überwachung von Holzkonstruktionen.

Hohe Erwartungen an die Charta für Holz
Hohe Erwartungen hat der Institutsleiter an die Charta für Holz, zu der Mitte September in Berlin ein Statusseminar stattfindet. Generell müsse die Charta für Holz öffentlichkeitswirksamer werden und das Bewusstsein für Chancen einer verstärkten Holznutzung, aber vor allem auch für bestehende und zu beseitigende Hemmnisse stärken. Das gelte für den Baubereich ebenso wie den nicht konstruktiven Bereich, also Möbel, Innenausbau und Papier. Tobisch hofft auch darauf, dass die Charta für Holz mehr Finanzmittel für die Forschung und Entwicklung einfordert. Die bislang in der Charta kritisierte mangelnde Innovationskultur in der Holzwirtschaft besteht seiner Einschätzung nach nicht. Allerdings fehle es hier und da an den Ressourcen, Innovationen umzusetzen.

Vielfältige Aufgaben für KIWUH
Der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) bescheinigt Tobisch ein Umdenken. Während es bei ihr lange Zeit fast ausschließlich um landwirtschaftliche Produkte gegangen sei, habe die Bedeutung der Holzwirtschaft inzwischen deutlich zugenommen. Als Ausdruck dieses gestiegenen Stellenwerts wertet der IDH-Chef die Gründung des Kompetenz- und Informationszentrums für Wald und Holz (KIWUH). Das solle sich intensiv um die Forschung im Bereich Forst, Holz und Papier sowie Holzbau kümmern. Gute Ansätze, wie die von der FNR durchgeführten Expertengespräche, sollten nach Ansicht von Tobisch weitergeführt werden.

Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Agra-Europe.