Norman Hofmann mit dem Versuchsaufbau für ergonomisches Arbeiten: Die Infrarotkameras erfassen die an seinem Körper fixierten Markierungspunkte. Es folgt die automatische Auswertung der Bewegungsabläufe und deren grafische Darstellung. Bildquelle: Zuse-Gemeinschaft/Alexander Knebel

Seien es Montagebänder in Fahrzeugindustrie und Maschinenbau, der Arbeitsplatz im Büro oder das Freizeitverhalten: Arbeits- und Bewegungsabläufe der Menschen in modernen Industriegesellschaften zeichnen sich häufig durch sich wiederholende und nicht immer gesunde Körperhaltungen und -bewegungen aus. Um ungesunde Abläufe und Bewegungen zu erkennen und zu vermeiden, hat das Institut für Mechatronik e.V. (IfM) aus Chemnitz ein Frühwarnsystem entwickelt, in dem die Interaktion von Mensch und Maschine digitalisiert wird.

Mit einem Motion Capture System des Herstellers ART werden typische Bewegungsabläufe aufgezeichnet und in Echtzeit auf ein biomechanisches Simulationsmodell des Menschen, Dynamicus genannt, und seiner Umgebung übertragen. Auf der Grundlage der so digitalisierten Bewegungen und Interaktionen mit der Umgebung lassen sich mit  spezieller Software, die neben Dynamicus auch am IfM entwickelt wurde, ergonomische Problemzonen ermitteln und grafisch veranschaulichen.

Ausgangspunkt für diese Digitalisierung von Bewegung sind kugelförmige, reflektierende Markierungen, die am Menschen und an Umgebungselementen, z. B. an  einem Exoskelett, angebracht sind. Ausgestattet mit diesen Markierungspunkten, die für eine eindeutige Identifikation zu sogenannten Targets zusammengefasst sind,  lassen sich Bewegungsabläufe von Personen und ihre Interaktionen mit Umgebungselementen digitalisieren. Das geschieht mit Infrarotkameras, welche die Bewegungen der Targets aufzeichnen.

„Für die Kamera sind die Marker-Kugeln Punkte im Raum. Am Bildschirm werden die Marker-Kugeln visualisiert“, erläutert Norman Hofmann, verantwortlich für die Bewegungsdigitalisierung am IfM. Die Kameras übertragen die erfassten Daten in Echtzeit auf ein Simulationsmodell im Rechner. Direkt danach kommt dann z. B. die Software Dynamicus/EAWS zum Einsatz, die die digitalisierten Bewegungen ergonomische bewertet und durch eine Ampel die mögliche Schädlichkeit eines untersuchten Montageprozesses signalisiert.

Häufen sich dabei monotone und ungesunde Bewegungsabläufe, wird das durch Rotfärbung der betroffenen Körperregionen angezeigt. Veränderungen im Arbeitsablauf lassen sich dann mit den Software-Werkzeugen des IfM sofort und direkt testen. „Wir digitalisieren Bewegungen, um damit konkrete Verbesserungen für die Menschen bei der Arbeit oder auch in der Freizeit zu erreichen“, erläutert IfM-Geschäftsführer Heiko Freudenberg.

Dank der IfM-Entwicklung können Unternehmen schnell erkennen, wann ihre Produkte oder Prozesse den Körper zu sehr beanspruchen und bestimmte Arbeitspositionen ergonomisch betrachtet in den „roten Bereich“ abgleiten. Dann können Entwickler in der Industrie Produkte und Prozesse verbessern, noch bevor die Produktion beginnt.

Für das IfM geht die Arbeit dann weiter. „Wir erfassen und analysieren nicht nur Bewegungen, sondern ermitteln auch biomechanische Beurteilungskriterien“, erklärt Hofmann. Dazu gehört bspw. die Definition von Belastungsbereichen bei verschiedensten menschlichen Bewegungen.

Der IfM-Versuchsaufbau hat sich in Kooperation mit zahlreichen Industriepartnern bewährt, u. a. in der Automobilindustrie.  Das System aus Hard- und Software wird jedoch laufend weiterentwickelt und ergänzt, z. B. durch die Kopplung von Sensorik für die Erfassung von Bewegungsinteraktionen. Dazu wird das System der Bewegungserfassung um die Aufzeichnung von Messwerten von 3D-Kraftsensoren erweitert.