Forschende aus ganz Europa und Vertreter der Papierindustrie trafen sich beim Forschungscluster Modellfabrik Papier (FOMOP), um gemeinsam neue Forschungsfragen für eine nachhaltige Papierproduktion zu entwickeln. Das erste Wissenschaftliche Mini-Symposium mit anschließendem Ideation Workshop zeigten, wie durch die Vernetzung unterschiedlicher Fachrichtungen und die Kombination vielfältiger Kompetenzen gänzlich neue Forschungsansätze entstehen können. Ziel war es, in Ergänzung zum bestehenden Forschungsprogramm weitere innovative Ideen für mehr Energieeinsparung in der Papierherstellung zu identifizieren.
Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand das Thema “Tailor-made raw materials and fibers for significant energy savings in the papermaking process”. Am Vorabend präsentierten Forschende der Modellfabrik Papier und der FOMOP-Forschungspartner MAP (TU Darmstadt), TU Dresden, PTS Institut für Fasern & Papier und dem Institut für Pflanzenwissenschaften IBG-2 am Forschungszentrum Jülich bei einer Poster-Session Ergebnisse aus der laufenden Forschungsarbeit. Am Folgetag gaben Expertinnen und Experten aus führenden europäischen Forschungseinrichtungen Einblicke in aktuelle Ansätze, wie sich durch innovative Materialforschung und Prozessoptimierung Energie einsparen und die Nachhaltigkeit der Papierproduktion weiter steigern lässt.
Impulse aus europäischer Spitzenforschung
Dr. Clàudia Esteves vom schwedischen Forschungsinstitut RISE zeigte Wege auf, wie der Einsatz von Sauerstoff als Oxidationsmittel im Kraftverfahren für die Hygienepapierproduktion den Bedarf an aggressiven Chemikalien und hohen Temperaturen verringern kann. Ihre Forschung belegt, dass die Sauerstoffdelignifizierung nicht nur umweltfreundlicher und energiesparender ist, sondern auch mechanische Fasereigenschaften wie Nassfestigkeit verbessert. Ihr Fazit: „Ungebleichte Fasern sind sehr viel nachhaltiger: Braun ist das neue Grün.“
Prof. Dr. Markus Biesalski, Leiter des Instituts Makromolekulare und Papierchemie (MAP) an der TU Darmstadt und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der MFP, stellte neue chemische Verfahren vor, um die Bindungskraft im Fasernetzwerk zu verbessern. Mit biobasierten funktionellen Cellulosepolymeren lassen sich zum Beispiel Nassfestigkeit und Wiederaufschlussfähigkeit von Fasern erhöhen - umweltfreundlicher als mit klassischen Additiven.
Dr. Antti Paajanen vom finnischen Technical Research Centre VTT zeigte anhand rechnergestützter Modelle, wie die Wechselwirkungen von Wasser und Faserwandpolymeren und deren Modifikation auf molekularer Ebene besser verstanden werden können. Simulationen eröffnen neue Perspektiven für die gezielte Steuerung von Faserprozessen.
Prof. Dr. Jahel Labidi, Leiter des Fachbereichs Chemie- und Umwelttechnik an der Universität des Baskenlandes (UPV/EHU) und Leiter der Forschungsgruppe Biorefinery Processes (BioRP) betonte die Bedeutung von Bioraffinerie-Konzepten für die Papierproduktion der Zukunft. Papiermühlen könnten sich zu Drehscheiben der Bioökonomie entwickeln – mit neuen Produkten wie Biokraftstoffen oder neuen Lignin-basierten Materialien aus bislang ungenutzten Nebenströmen.
Prof. Dr. Julien Bras vom Grenoble Institute of Technology – Pagora (UGA) und Leiter der Gruppe „Multiscale Biobased Materials” am LGP2 stellte die Entwicklung biobasierter aktiver Verpackungen vor, die antimikrobielle, barrierebildende und leitfähige Eigenschaften kombinieren. Der Einsatz von Nanocellulose sei ein entscheidender Schritt zu energieeffizienteren Prozessen in der nachhaltigen Verpackungsproduktion.
Großes Potenzial neuer Technologien für eine nachhaltigere Papierproduktion
Die Bandbreite der Forschungsansätze zeigt das große Potenzial neuer Technologien auf, um die Papierproduktion neu zu denken und nachhaltiger zu gestalten. „Mit Blick auf Energieeinsparung und sich wandelnde Produktanforderungen eröffnen sich zahlreiche neue Forschungsfragen“, sagte FOMOP-Forschungsgruppenleiter Dr. Jan-Lukas Schäfer. Zum Beispiel: Wie lassen sich alternative Faserquellen in etablierte Herstellungsprozesse einfügen? Oder wie können die Entwässerungseigenschaften von Fasern gezielt gesteuert werden, ohne dass dabei die Papiereigenschaften/Produkteigenschaften oder die Rezyklierbarkeit dieser stark beeinträchtigt wird?
Neue Ideen durch kreative Zusammenarbeit
Im anschließenden Ideation Workshop entwickelten die Teilnehmenden gemeinsam über 20 neue Forschungs- und Innovationsideen – von technischen Prozesslösungen bis hin zu konzeptionellen Ansätzen. In mehreren Sprints arbeiteten Forschende mit Praktikern und Expertinnen aus der Industrie in interdisziplinären Teams in mehreren Sprints zusammen, um reale Herausforderungen der Papierindustrie mit neuen Forschungsansätzen zu adressieren. 16 der entstandenen Ideen wurden von den Teilnehmenden priorisiert und werden nun innerhalb der Modellfabrik Papier in Zusammenarbeit mit dem Wissenschaftlichen Beitrat weiterentwickelt.
Ein starkes Signal für offene Forschung
„Unser erstes wissenschaftliches Symposium war ein echter Erfolg“, resümiert Dr. Jihène Jerbi, Vernetzungsmanagerin Innovationsscouting Wissenschaft der Modellfabrik Papier. „Die Veranstaltung hat gezeigt, wie stark die interdisziplinäre Zusammenarbeit den Austausch zwischen Wissenschaft und Industrie beflügeln kann. Nur durch Vernetzung und unterschiedliche Blickwinkel entstehen Ideen, die nachhaltige Technologien schneller in die Anwendung bringen.“
Mit neuen Kontakten, vielfältigen Impulsen und einem beachtlichen Ideenpool setzt das Mini-Symposium einen weiteren Meilenstein in der Entwicklung des Forschungsprogramms der Modellfabrik Papier. blicken alle Beteiligten auf die gemeinsame Arbeit zurück. Die große Bandbreite der Ideen macht zugleich deutlich, dass es einen engen Schulterschluss zwischen Industrie und Wissenschaft braucht, um den Wissenstransfer ausbauen und in weitere Forschungs- und Entwicklungsarbeit nachhaltiger Technologien zu investieren.
Pressemitteilung des Modellfabrik Papier gGmbH vom 30.10.2025.