Premiere im Cluster Smart Logistik auf dem RWTH Aachen Campus: Mehr als 100 Gäste aus verschiedensten Professionen kamen vom 24. – 25.08.2022 zur 1. Konferenz Smart Work – Führen und Lernen in der digitalisierten Arbeitswelt. Die Konferenz markierte den Abschluss der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekte eLLa4.0 – Gute Führung und Arbeit in der Soziodigitalen Transformation und LidA – Lernen in der digitalisierten Arbeitswelt. In Vorträgen, Panel-Diskussionen, Themensessions und Workshops befasste sie sich mit den Auswirkungen und Perspektiven des Wandels auf Beschäftigte und Führungskräfte. Im Vordergrund standen Fragen dazu, welchen Einfluss die Digitalisierung auf die Rolle von Mitarbeitenden und Führungskräften hat, wie sie Organisationen, Prozesse und Arbeitsinhalte verändert und was das für zukünftig gefragte Kompetenzen und Qualifikationen als auch für das soziale Miteinander und die Unternehmenskultur bedeutet.
Neben Gastgeber FIR an der RWTH Aachen, vertreten durch Geschäftsführer Professor Dr. Volker Stich und Roman Senderek, Bereichsleiter Smart Work, begrüßten auch Christoph Ziegler vom Projektträger Karlsruhe, Dr. Ralf Kopp von der Sozialforschungsstelle Dortmund (Sfs), Konsortialführer eLLa4.0-Projekt, sowie Jonas Haas von der IPRI gGmbH, Konsortialführer LidA-Projekt, die Anwesenden. Sie gaben einen Abriss zu Zielsetzung und Ergebnissen der beiden Projekte.
An der Digitalisierung kommt niemand vorbei. Die Welt befindet sich im Umbruch; ist geprägt durch große Wenden, etwa die Dienstleistungs- oder die Mobilitätswende. Sowohl die Konsortialführer als auch Professor Stich und Roman Senderek betonen in ihren Eröffnungsreden die zentrale Rolle von Beschäftigten und Führungskräften. „Digitalisierung kann nur mithilfe von Mitarbeiter:innen realisiert werden“, so Jonas Haas, IPRI gGmbH.
Angst vor der Digitalisierung ist aber unangebracht, meint Professor Stich in seiner Keynote. „Dort, wo Jobs wegfallen, kommen wieder neue hinzu“. Laut Stich fehlen keine Fachkräfte, vielmehr muss sich der Suchfokus ändern. Skill-Profile müssen an die neuen Anforderungen der Digitalisierung angepasst und die Kompetenzen von Mitarbeitenden entsprechend entwickelt werden. „Der Mensch als zentraler Punkt zukünftiger Arbeit muss Raum bekommen, sich und seine Fähigkeiten zu entwickeln“, so Senderek. New Work mit Themen wie Leadership, Lernkultur und neuen Lernformen ist in vielen Unternehmen heute noch unterrepräsentiert. Dr. Joachim Hutfless, TRUMPF SE & Co. KG, bestätigt: „Alles beginnt bei den Mitarbeitenden – sie müssen ihre Entwicklung jeweils eigenverantwortlich in die Hand nehmen, selbstbestimmt lernen und klare Lernziele für sich fokussieren“. Dr. Alexander Galloy, BELFOR DeHaDe, ergänzt aus der Perspektive eines Dienstleisters: „Entscheidungsfreiheit gibt Akzeptanz und beschleunigt die Umsetzung“ und Professor Dr. Verena Nitsch, IAW Aachen, hält es für notwendig den technikgetriebenen Wandel zu einem menschenorientierten umzukehren: „Wir sollten nicht Sklaven von Technologien sein.“
Für Christian Schupik und Lena Piel von der Volkswagen AG öffnen digitale Tools und die Virtualisierung von Produktionsumgebungen Chancen, den Wandel erlebbar zu machen und Beschäftigte mitzunehmen. Markus Herkersdorf, TriCAT GmbH, bezeichnet die virtuelle Transformation als nächsten Schritt nach der digitalen Transformation. Auch eine weltweit einheitliche Prozesssprache ist ein wertvoller Ansatz, um menschliche Arbeit zu beschreiben und zu bewerten. Prof. Dr. Peter Kuhlang und Manuela Ostermeier, MTM ASSOCIATION e. V., zeigen, wie E-Learning weltweit einheitliche Ausbildungen ermöglicht.
Niemand weiß wirklich, wie wir in Zukunft zusammenarbeiten werden. Eine starke Bindung der Mitarbeitenden und insbesondere eine von Vertrauen geprägte Kultur und Führung sehen alle Beteiligten der Konferenz gerade in Zeiten signifikanter Umbrüche und Krisen als Kern einer erfolgreichen Zusammenarbeit. „Vertrauen ist der Kleber, der Beschäftigte und Führungskräfte verbindet“, so Dr. Gerhard Gudergan, FIR. Dr. Christoph Beumer, BEUMER Group GmbH & Co. KG, ergänzt das Bauchgefühl als eine entscheidende Eigenschaft für den Unternehmenserfolg. Erfolg ist für ihn immer auch eine Frage von Kultur und Zusammenhalt: „Alle Beteiligten sollen am Ende am Erfolg partizipieren. Dazu sind Zusammenarbeit im Netzwerk und gegenseitiges Vertrauen notwendig.“ Gerd Palm, St. Gereon Seniorendienste gGmbH, verweist auf die Bedeutung von nicht-ökonomischen Werten wie Fürsorge, Teamgeist und Respekt: „Zwischenmenschliche Interaktion, Netzwerkarbeit und Unterstützung sind notwendig, um gutes Personal auszubilden und zu halten.“ Dagmar Wirtz, 3WIN, betont: „Man muss mit den Mitarbeitenden sprechen, um Schwierigkeiten und Akzeptanzprobleme zu erkennen. Nur dann kann man daran arbeiten.“ Neben den Vorträgen belegen auch die Ergebnisse aus den verschiedenen Themensessions zu Widerständen und Herausforderungen von Technologieeinführungen, digitalen Lernplattformen sowie Insights aus weiteren Forschungsprojekten unisono den notwendigen Fokus auf Vertrauen, Integration und Partizipation.
Das Rollenverständnis von Führungskräften wandelt sich zum Begleiten und Ermöglichen. Führungskräfte haben nicht nur die Technik im Blick, sondern nehmen die Menschen mit und bieten die Freiräume dafür, dass Entscheidungen schnell getroffen werden. „Die Haltung macht den Unterschied und ist die Basis für die Führung“, sagt Joachim Giese, WBS TRAINING, und konstatiert: „Die Zeit von Anweisung und Kontrolle ist vorbei.“ Motivation zur Selbständigkeit, Vertrauen und Augenhöhe sind wesentliche Elemente zukünftiger Führung. Auch Dr. Joachim Hutfless, TRUMPF SE & Co. KG, verweist auf die neue Rolle der Führungskräfte und setzt zusätzlich auf sogenannte „Learning Agents“, die den Lernprozess von Mitarbeitenden begleiten und als verbindendes Zahnrad zwischen ihnen, den Führungskräften und Bereichen fungieren. Für Dr. Jacqueline Lemm, Drees & Sommer SE, und Prof. Dr. Christiane Vaeßen, Region Aachen Zweckverband, sind Emotionen ein wichtiger Teil von Führung und Kultur. „Man muss die richtige Balance finden, Wertschätzung gegenüber sich selbst und gegenüber den Mitarbeiter:innen ist wichtig“, so Lemm. Und Vaeßen bestätigt: „Wir brauchen auch die emotionale Welt. Nur wenn man voneinander lernt, hat man eine Chance.“ Dr. Saša Sopka, AIXTRA Kompetenzzentrum für Training und Patientensicherheit, sieht Teamzusammensetzung und Teamentwicklung als elementare Bestandteile für nachhaltiges Lernen.
Mit zahlreichen Erkenntnissen und Best-Practices aus dem betrieblichen Alltag gab die 1. Konferenz Smart Work am FIR einen Rundumblick auf die Entwicklungen zukünftiger Arbeitswelten. Sie bot viele Insights und Anregungen dazu, innovative Lehr- und Lernkonzepte in die eigene Unternehmensstrategie zu integrieren und Führungsrollen neu zu denken. „Die Konferenz hat uns gezeigt, dass Forschungsförderung Sinn macht und die Ergebnisse in die Praxis übertragbar sind. Das belegen die heute präsentierten sowie die in den vielen gemeinschaftlichen Aktivitäten erarbeiteten Resultate. Wir haben gesehen, dass Vertrauen, Partizipation und Integration fundamentale Voraussetzungen für das Gelingen der Transformation und das Überwinden von Unsicherheiten sind. Der Mensch steht im Zentrum allen Handelns. Er benötigt Freiräume, um sich entwickeln zu können. Ihm die dazu notwendige Orientierung zu geben, wird zukünftig eine der wichtigsten Aufgaben von Führungskräften sein. Haltung und Kultur eines Unternehmens gewinnen größere Bedeutung als Fachwissen und Qualifikation. Sie müssen von der Führung vorgelebt werden und sind gleichzeitig die Basis für eine erfolgreiche Führung. Kompetenzmanagement, lebenslanges Lernen, digitales Lernen und Lehren, Leadership und Lernkultur, arbeitsnahes Lernen und lernförderliche Umgebungen sind die erfolgsrelevanten Themen, mit denen sich Unternehmen heute auseinandersetzen müssen, um sich und ihre Beschäftigten für die Zukunft erfolgreich aufzustellen“, fasst Senderek die Veranstaltung zusammen und stellt eine Fortsetzung im kommenden Jahr in Aussicht.
Pressemitteilung des FIR vom 31.08.2022.