Die Versorgung von Patienten mit künstlichen Gelenken gehört zu den häufigsten Operationen in Deutschland. Laut Angaben des Statistischen Bundesamtes wurden allein im Jahr 2018 knapp 240.000 künstliche Hüftgelenke und rund 190.000 Kniegelenke implantiert.
Damit die Patienten nach einem solchen Eingriff möglichst beschwerdefrei und gut leben können, kommt der Qualität und Langlebigkeit des für die Implantate verwendeten Materials und seiner Verarbeitung extrem hohe Bedeutung zu. Für möglichst geringen Verschleiß bestehen klare Vorschriften, für deren Einhaltung Prüfsysteme sorgen. Derzeit sind für solche Prüfungen allerdings separate Geräte je nach Gelenk erforderlich, sei es Hüfte, Knie, Schulter oder Sprunggelenk.
Das Institut Chemnitzer Maschinen- und Anlagenbau e.V. (ICM) hat jetzt in Kooperation mit Forschungspartnern ein völlig neues Verschleißprüfgerät entwickelt: Es ist in der Lage, die gängigen Endoprothesen allesamt auf ihre Verschleißbeständigkeit zu prüfen. Ob Hüfte, Knie, Schulter oder Sprunggelenk – die elektrisch betriebenen Arme des Geräts – die sogenannten Aktuatoren – testen die Teile aus Metall oder Kunststoff „auf Herz und Nieren“. Dabei wird gestreckt, gedreht und geschüttelt, – wie es „im richtigen Leben“ der Körper eines Menschen tut.
Denn die Gelenke – seien es unsere natürlichen oder künstlich eingesetzte – sind im Körper enormen Kräften und Belastungen ausgesetzt. „Wie das Material damit zurechtkommt, prüft unser Gerät individuell für die jeweiligen Endoprothesen. Wechselt man von einer Endoprothese auf einen neuen Typ, so sind mechanisch über ein Klicksystem sowie digital über das Display nur wenige Veränderungen notwendig“, erläutert ICM-Projektleiter Thomas Reuter. Der Chemnitzer Ingenieur war an der Entwicklung des Demonstrator-Geräts für das Verschleißprüfsystem maßgeblich beteiligt. Ein Prototyp steht nun an der Universität Heidelberg. Diese ist neben dem Prüfsysteme-Unternehmen DYNA-MESS aus Stolberg bei Aachen einer der beiden Forschungspartner.
Kompromisse bei der Prüfung werden nicht gemacht. DIN-Vorschriften legen die einzuhaltenden Prüfzyklen fest, sei es die Zahl der simulierten Schultergelenks-Rotationen oder der simulierten Kniebeugen. „Damit nichts dem Zufall überlassen bleibt, wird jedes zu prüfende Produkt parallel auf drei Aktuatoren eingespannt, so dass von jedem Produkt drei Exemplare in der Prüfung sind“, erläutert Reuter. Die Antriebs- und Regelungskonzepte seien durch virtuelle Simulationsmodelle unterstützt worden, wodurch die Abmessungen und Festlegungen für die Komponenten wesentlich effizienter realisiert worden seien.
Das im März 2020 abgeschlossene Forschungsprojekt wurde vom Bundeswirtschaftsministerium gefördert. Das auf den Forschungsergebnissen aufbauende Modell hat laut Reuter sehr gute Chancen am Markt.
Stand: Juni 2020