Im Beisein des Thüringer Wirtschafts- und Wissenschaftsministers Wolfgang Tiefensee und zahlreicher weiterer Gäste wurde am Institut für Angewandte Bauforschung (IAB) in Weimar eine weltweit einmalige Pilotanlage zur Herstellung CO2-armer Zementzusatzstoffe eingeweiht.
Die Hauptaufgabe des neuen Flash-Kalzinators mit Color Control besteht in der thermischen Behandlung pulverförmiger Materialien, wobei diese auf Temperaturen bis 1000 Grad Celsius erhitzt werden können. Die Besonderheit der neuen Pilotanlage ist dabei die Kalzinierung von beispielsweise tonartigen Materialien unter sauerstoffarmer Atmosphäre, der sogenannte Schwarzbrand. Dies ermöglicht eine Farbveränderung des Materials (Color Change Prozess) vom rötlichen Ton zum grauen bis weißen Zusatzstoff. Damit können kalzinierte Tonmaterialien als Ersatz von Zement für die Betonproduktion eingesetzt und dabei die Qualität von Sichtbeton erhalten werden, da eine Rotfärbung des Betons verhindert wird.
„Um die Klimaziele der EU zu erreichen, sind nachhaltige, energiereduzierte Lösungen bei der Herstellung, Verwendung und Wiedernutzung von Baustoffen und Bauteilen unumgänglich. Ziel muss es sein, die Bauwirtschaft perspektivisch in eine Kreislaufwirtschaft zu überführen“, beschreibt IAB-Direktor Dr. Ulrich Palzer die aktuellen Herausforderungen.
„Jährlich werden allein in Deutschland gut 30 Millionen Tonnen Beton verbaut, für die Herstellung des darin verwendeten Bindemittels Zement fallen etwa 20 Millionen Tonnen CO2 an. Allein diese Zahlen verdeutlichen, wie hoch das Potenzial ist, CO2 im Bausektor einzusparen – was sich auch wirtschaftlich auszahlt. Angesichts des steigenden Preises von CO2-Zertifikaten im Europäischen Emissionshandel ist es entscheidend, langfristig die Kompetenzen im Ressourcenmanagement zu stärken, um künftiges Wirtschaftswachstum von Ressourcenverbrauch zu entkoppeln. Der Flash-Kalzinator leistet hierfür einen wichtigen Beitrag“, sagte Wissenschaftsminister Wolfgang Tiefensee.
Die in der neuen Pilotanlage kalzinierten Zusatzstoffe für die Zementproduktion werden zukünftig dazu beitragen, den Kohlendioxidausstoß bei der Betonherstellung drastisch zu reduzieren. „Beton ist als Baustoff in vielen Bereichen immer noch alternativlos“, erklärt Forschungsbereichsleiter Mirko Landmann. Für die Zukunft der Betonindustrie sei aber die Reduzierung des klimaschädlichen Kohlendioxids bei der Herstellung dringend notwendig.
Dass eine CO2-neutrale Betonindustrie machbar sein könnte, haben Versuche am IAB bereits gezeigt. „Mit der neuen Pilotanlage ist es uns möglich, bisherige Versuche aus dem Labormaßstab in eine industrielle Größenordnung zu überführen“, sagt Landmann. Im Flash-Kalzinator können nun größere Mengen an kalziniertem Ton hergestellt werden, die Anwendung in der Produktion von CO2-reduzierten Zementen finden.
„Wir danken dem Freistaat Thüringen, dass er diese Anschaffung mit insgesamt 999.900 Euro auch mit Mitteln aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung ermöglicht hat“, so Palzer. Der Flash-Kalzinator biete in Verbindung mit der bereits vorhandenen Pilotanlage Drehrohrofen die Möglichkeit, den Technologiestandort Weimar zu stärken und bei der Entwicklung neuartiger und CO2-reduzierter Bindemittel eine Vorreiterrolle zu übernehmen.
Aber auch in anderen Bereichen des Bauwesens ist ein grundlegender Wandel zu mehr Energieeffizienz, Ressourcenschonung, Klima- und Umweltschutz nötig, verursacht doch der Baubereich inklusive Hochbau mit etwa 40 Prozent die höchsten Treibhausgasemissionen in Deutschland und verbraucht als Industrie große Rohstoffmengen.
„Um die regionale Bauwirtschaft bei dieser Transformation zu unterstützen, planen wir eine noch engere Zusammenarbeit am Standort Weimar“, verkündet IAB-Direktor Robert Fetter und ergänzt: „Wir möchten die Kompetenzen der drei Forschungseinrichtungen am Standort Weimar – Bauhaus-Universität (BUW), Materialforschung- und -prüfanstalt (MFPA) und Institut für Angewandte Bauforschung (IAB) – von der Grundlagenforschung bis zur Anwendung zur Durchführung gemeinsamer Projekte zusammenführen.“
Prof. Carsten Könke, wissenschaftlicher Direktor der Materialforschungs- und -prüfanstalt an der Bauhaus-Universität Weimar, hebt die Vorteile wie folgt hervor: „Mit der Idee der stärkeren Kooperation kann zum einen die gesamte Expertise der Forschung der drei Institutionen genutzt werden und zum anderen werden Dopplungen im Leistungsangebot reduziert. Für unsere regionale Bauwirtschaft wird es dann ein wissenschaftliches Leistungsangebot aus einer Hand geben, welches die gesamte Entwicklungskette von der Grundlagenforschung bis zur industriellen Anwendung ab-deckt.“
Bauforschung hat am Standort Weimar eine lange Tradition und einen hervorragenden Ruf. Aktuell sind die drei Institutionen mit zusammen mehr als 300 Experten in der Forschung, Entwicklung und vor allem auch der Anwendung tätig. Es besteht ein enges Netzwerk insbesondere zu regionalen Baustoff- und Bauunternehmen, Architekten und Planern.
„Wenn wir zukünftig Synergien noch stärker nutzen, können wir der regionalen Bauwirtschaft Werk-zeuge an die Hand geben, mit denen sie für den notwendigen Wandel zu einer nachhaltigeren Branche sehr gut gerüstet sein wird.“, blickt Prof. Peter Benz, Präsident der BUW, voraus. Dies werde auch maßgeblich zur Sicherung des Wirtschafts- und Technologiestandorts Thüringens beitragen.
Pressemitteilung des IAB vom 12.04.2024.