Computergestützte, automatische Analyse von Spermaqualitätskriterien mit dem CASA-System AndroVision® der Firma Minitube am IFN Schönow Copyright: Dr. Anja Peters, IFN Schönow

Während derzeit bedingt durch COVID-19 die Gefahren durch Viren das gesundheitspolitische Thema Nummer eins sind, bergen Bakterien und ihre Wandlungsfähigkeit gleichfalls hohe Risiken.

Dazu gehören antibiotikaresistente Keime. Eine möglichst geringe und zielgerichtete Anwendung von Antibiotika hilft, Resistenzen einzudämmen. Dazu kann neben der Human- auch die Tiermedizin beitragen. Zwar ist der Antibiotika-Einsatz in der Tierhaltung dem Bundeslandwirtschaftsministerium zufolge deutlich rückläufig, doch gibt es andererseits viel Potenzial für Verbesserungen. Denn schon vor der Geburt beginnen bei Schweinen Antibiotikagaben, nämlich als Zugabe zum Ebersperma für die Künstliche Besamung, eine der ältesten Biotechnologien überhaupt.

Forschende in der Zuse-Gemeinschaft haben dafür ganz am Anfang begonnen: In einem interdisziplinären Forschungsprojekt hat das Institut für Fortpflanzung landwirtschaftlicher Nutztiere Schönow e.V. (IFN Schönow) aus Bernau bei Berlin gemeinsam mit Partnern aus Wirtschaft und Wissenschaft untersucht, wie man künftig auf Antibiotika im Ebersperma ganz verzichten oder zumindest dessen Einsatz minimieren kann.

Grenzüberschreitende Kooperation

Der Job der Forschenden: Sie mussten Stoffe finden, welche die sehr empfindlichen und bei der Lagerung bedrohten Spermien so schützen, dass gefährliche Bakterien abgetötet, gleichzeitig aber die Spermien verschont bleiben. „Die Alternativen zu klassischen Antibiotika in der Mixtur müssen eine hohe Affinität zu Bakterien und eine geringe Affinität zu Spermien haben“, erklärt IFN-Forschungsleiter Dr. Martin Schulze. Er und sein Team fanden in Lipopeptiden, die sie von der Universität Danzig erhielten, eben diese Eigenschaften. Lipopeptide sind positiv geladene Zwittermoleküle, die besondere antibiotische Wirkungen haben. Der Wirkmechanismus von Lipopeptiden unterscheidet sich deutlich von denen der konventionellen Antibiotika. Großer Vorteil: Eine Resistenzbildung von Bakterien gegenüber Lipopeptiden ist häufig erschwert.  Herausforderung für die Forschenden: Im Verdünnermedium, in dem die Spermien konserviert werden, sollten sich diese Lipopeptide lösen, um optimal gegen Keime wirken zu können. Dr. Schulze erläutert, dass, wenn möglich „diese Peptide eine breite antimikrobielle Wirkung besitzen, spermienverträglich sind, die Fruchtbarkeit nicht beeinträchtigen, einfach in der Handhabung und wirtschaftlich verträglich sein sollten“.

Ergebnis des kürzlich abgeschlossenen Forschungsprojektes AMIKOS: Viel versprechende Alternativen zum Antibiotikaeinsatz im Ebersperma sind vorhanden und müssen nicht exotisch sein.

Vor einer Marktreife für die Schweinezucht muss an den Lipopeptiden aber noch weiter geforscht werden. Denn sie müssen nicht nur sicher, sondern auch effizient sein. Nach den Ebern sind daher nun die Muttertiere an der Reihe: „Wir werden in einem weiteren Forschungsprojekt Fertilitätsuntersuchungen durchführen, um etwaige Auswirkungen der neuen Stoffe zu testen“, erläutert Dr. Schulze. Denn für die Tierzucht sind die in der Verdünnerflüssigkeit konservierten Spermien ein kostbares Wirtschaftsgut.IFN Schönow Qualität der Kühle BeitragIn der konventionellen Landwirtschaft ist künstliche Besamung die Regel, aber auch auf Bio-Bauernhöfen weit verbreitet. Copyright: Alexander Knebel

Auch Algen als mögliche Alternative zu Antibiotika

Zugleich hat sich im abgeschlossenen Forschungsprojekt AMIKOS abgezeichnet, dass neben den antibiotischen Alternativen in der Sperma-Portion auch das Umfeld stimmen muss. Die Lagerung der Ware soll statt der bisher weit verbreiteten 16 Grad Celsius künftig nur noch bei 6 Grad Celsius stattfinden. Für die Tierzüchter und für Dr. Schulze ist das Niedrigtemperaturlagerung. Diese bringt auch Anpassungen in der Lieferkette mit sich.

Lipopetide müssen übrigens nicht die einzige Alternative zu klassischen Antibiotika sein. Untersuchungen zum Potenzial von Algen als Antibiotika-Alternative in der Künstlichen Besamung, sei es bei Rind oder Schwein, laufen ebenfalls am IFN. Algen sind dafür bekannt, dass sie eine Vielzahl von Stoffen produzieren, die es ihnen ermöglichen, unter extremen und widrigen Bedingungen zu überleben. Je nach Algenart weisen diese Stoffe antibiotische, antiparasitäre, antivirale, entzündungshemmende und krebsbekämpfende Eigenschaften und damit ein vielversprechendes Potenzial für eine Anwendung in der Medizin auf. In der Humanmedizin kommen Algen bereits gegen Hautkrankheiten zum Zuge. Mit belastbaren Ergebnissen am IFN ist im Lauf des Jahres 2021 zu rechnen.

Stand: Januar 2021

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