Julian Kremeyer an einem Messrollenprüfstand des BFI. Bildquelle: BFI

Für manchen endet Kälte erst bei 150 Grad. So im Walzwerk. „Beim Kaltwalzen von Stahl erreichen wir bis zu 150 Grad Celsius“, beschreibt Julian Kremeyer vom VDEh Betriebsforschungsinstitut (BFI) eine der weltweit wichtigsten Methoden zur Umformung von Stahl.

Immer wieder läuft der Stahl durch die Walzen, die ihn in immer dünner und länger werdende Bänder formen. Am Ende sind diese Bänder je nach Bedarf der Industrie nur noch 0,1 bis 3 mm stark – und, aufgerollt in sogenannte Coils, bis zu mehrere Tausend Meter lang. Jede Beule im Band kann später Probleme machen – sei es bei der weiteren Verarbeitung oder im fertigen Produkt wie der Karosserie von Fahrzeugen.

Das BFI, Mitglied der Zuse-Gemeinschaft, hat das Werkzeug, damit es nicht so weit kommt. Schlugen früher Arbeiter im Walzwerk mit Besenstielen auf die richtigen Stellen der Bleche, um die Planheit des Bandes zu ermitteln, gibt es dafür seit den siebziger Jahren vom BFI die Planheitsmessrolle. Damals erfanden die Wissenschaftler des gemeinnützigen Düsseldorfer Forschungsinstituts die Rolle. Und haben sie seitdem stetig verbessert. Mit detektivischer Genauigkeit spürt die Messrolle Wellen im Blech auf, indem sie mit ihren Sensoren das Stahlband im laufenden Betrieb prüft.

Total auf der Rolle

Das geschieht so: Die unter dem Walzband liegende Rolle misst mit Hilfe ihrer Sensoren die Kräfte, die die einzelnen Streifen des Bandes auf die Rolle ausüben. Die Rolle ermittelt dann an diesen Streifen die einwirkenden Zugspannungen. Aus der Berechnung der Kräfte lässt sich ableiten, ob der Stahl exakt regelmäßig ausgewalzt wird oder ob es Abweichungen gibt. Kontinuierlich wird mithilfe der Daten aus der Planheitsmessrolle im laufenden Betrieb die Produktion angepasst - bei Walzgeschwindigkeiten von mehr als 2000 m pro Minute.

Europa mit Marktanteil von rund 30 Prozent

Auf globalisierten Stahlmärkten, und auch in der Aluminium- und Kupferindustrie, ist die BFI-Technologie ein Erfolgsmodell. Mehr als 1800 Planheitsmessrollen à la BFI sind weltweit ausgeliefert. Europa ist ein zentraler Markt, auf den rund 30 Prozent des Absatzes entfallen. Die BFI-Forscher liefern das Knowhow, produziert und vertrieben wird die Technik von namhaften Lizenznehmern.

Messen am laufenden MeterThyssenKrupp Coils im Lager 2016 mediathek Bildquelle thyssenkrupp Steel EuropeStahl-Coils im Lager. Bildquelle: thyssenkrupp Steel Europe

Die neueste Generation der Planheitsmessrolle misst nicht nur die einwirkenden Kräfte am Stahlband, sondern auch die dort herrschenden Temperaturen. Das ist deshalb so wichtig, weil das aus der Walze entlassene Band sich beim Abkühlen nochmals verändern kann – was man im Walzwerk verhindern möchte. „Oft ist es in der Mitte des Bandes während des Walzens wärmer, aber gilt dies nicht durchgängig“, sagt Kremeyer zu den Forschungsergebnissen, die der neuesten Generation der Planheitsmessrolle vorangingen. So komme es auch vor, dass eine Seite des Bandes wärmer sei als die andere. Die Ursachen für sämtliche Variationen der Temperaturverteilung seien noch nicht vollständig erforscht. „Mit dem neuen Modell der Messrolle lassen sich z.B. mögliche Fehler in der Kühlung der Walzwerke frühzeitig erkennen. Denn gemessen wird in den Walzwerken am laufenden Meter“, erläutert Kremeyer.

Das gilt übrigens auch fürs Warmwalzen bei mehr als 900 Grad Celsius. Die erste BFI-Planheitsmessrolle fürs Warmwalzen wird schon getestet. Mit integrierten Temperatursensoren.

Die Entwicklung ist ein Beispiel für Innovationen mit Zukunft aus den gemeinnützigen Forschungsinstituten der Zuse-Gemeinschaft, die Deutschland auch nach Überwinden der Corona-Krise dringend benötigt.

Stand: Mai 2020