Durch Umwinden mit Polyamid erzeugen DITF-Forschende ein Garn, das etwa zur Hälfte aus recycelten Carbonfasern bestehen kann. Es lässt sich wie endlose Primärfasern weiterverarbeiten. Bildquelle: DITF

Carbonfasern gewinnen für die Fahrzeugindustrie an Bedeutung. Sehr energieaufwändig wird die Faser bei 1.300 Grad Celsius gewonnen. Die Vorteile der Carbonfasern: Sie sind sehr stabil und leicht, bezogen auf die Kräfte, die sie aufnehmen können. Solche Eigenschaften benötigt man z.B. am Batteriekasten von E-Mobilen oder in der Karosserie, doch auch in der Luftfahrtindustrie oder in Fahrrädern kommen Carbonfasern zum Einsatz. Aufgrund des hohen Ressourceneinsatzes bei der Produktion von Carbonfasern einerseits und aufgrund des steigenden Bedarfs wird das Recycling immer wichtiger.

Die Konkurrenzfähigkeit der aufbereiteten Recyclingprodukte steigt, wenn das Recyclingprodukt möglichst nah an die Eigenschaften von Primärfasern herankommt.

Die Deutschen Institute für Textil- und Faserforschung (DITF) forschen anwendungsorientiert vom Molekül bis zum Produkt. Die Entwicklung von Carbonfasern sowie das Carbonfaser-Recycling bilden einen der Schwerpunkte der Forschungsarbeit. Dabei geht es  auch darum, wieder endlose Strukturen in Form von Garnen aus den recycelten Fasern zu erzeugen. Dazu mischen die Denkendorfer Forscher die spröden Carbonfasern mit einem Matrixwerkstoff in Faserform und umwinden die verarbeitete Fasermischung zu einem Garn. Polyamid ist hier als thermoplastische Matrix das Mittel der Wahl, denn es ist dafür aufgrund der Gebrauchseigenschaften im Bauteil wie z.B. seiner Temperaturbeständigkeit besonders geeignet. „Mit der Technik haben wir zunächst einen Faservolumenanteil der recycelten Carbonfasern von 40 Prozent erreicht, können diesen Anteil aber mittlerweile für thermoplastische Anwendungen auf über 50 Prozent steigern“, sagt Stephan Baz, Abteilungsleiter Stapelfasertechnologien an den DITF. Stapelfasern, das sind Fasern unterschiedlicher Länge, seien sie aus natürlichen oder synthetisch hergestellten Materialien wie z.B. Baumwolle oder eben auch Abfälle oder wiederverwertbare Fasern aus Kunststoffen.

„Das übergeordnete Ziel unserer Forschung ist darauf gerichtet, das ‚Downcycling‘ wertvoller Produkte wie Carbonfasern so lange wie möglich zu vermeiden und für die Fasern so lange wie möglich hochwertige Verarbeitungsmöglichkeiten im Idealfall auf dem Niveau der Neuware anzubieten“, erklärt Baz. Der Ingenieur hat es mit seinem Team und der Kooperation mit Industriepartnern aus Mittelstand und Großunternehmen geschafft, aus den Stapelfasern weiterverarbeitbare Garne zu erzeugen. „Von der Flocke bis zum Garn haben wir die Prozesskette aufgebaut“, sagt Baz. Die Vorteile der Garne sieht er nicht zuletzt in dem, was in der Fachbranche „hoch orientierte Halbzeuge“ genannt wird und die Ausrichtung der Carbonfasern innerhalb der Garne in eine Richtung beschreibt. Eine hohe Orientierung wiederum ist günstig, um einen hohen Faservolumenanteil aber auch hohe Zugkräfte in den fertigen Faserverbundbauteilen zu erreichen.

Nach den ersten Erfolgen bei der Garnherstellung hat das DITF gemeinsam mit Partnern nachgewiesen, dass die Garne zu Flächen wie Gelegen oder Geweben verarbeitet werden können und daraus als Zwischenprodukt für die Industrie sogenannte Organobleche, auf die Automobilsektor und Luftfahrtbranche sowie der Maschinenbau zurückgreifen. Das Besondere an Organoblechen aus recycelten Carbonfasern: Im Gegensatz zu Organoblechen aus Neuware sind sie thermoformbar oder auch tiefziehbar. Tiefziehen ist ein wichtiges Umformverfahren, das in der Auto- genauso wie in der Verpackungsindustrie zum Einsatz kommt. z.B. bei der Herstellung von Joghurtbechern. Mit der neuen im Projekt erzielten Qualität können die Bleche durchs Tiefziehen mit Metallen oder Kunststoffen mithalten. Den Forschern in Denkendorf ist es so gemeinsam mit den Partnern gelungen, neben der hochwertigen Rückführung von recycelten Fasern dem erzeugten Zwischenprodukt zusätzlichen Mehrwert zu verleihen.

Dieser Artikel ist ein Auszug aus einem Beitrag, der im aktuellen Jahrbuch Nachhaltigkeit 2021 erschien und Aktivitäten zum Carbonfaser-Recycling in der Zuse-Gemeinschaft vorstellt - im gelingenden Transfer mit Unternehmen.