Von der Recyclingfaser über das faserverstärkte Kunststoffgranulat zum Leichtbauteil. Bildquelle: SKZ

Fahrzeuge werden mit immer mehr Elektronik und Sicherheit ausgestattet. Das macht sie bei allen Vorteilen aber auch schwerer. Dem Trend wirken innovative Materialien wie Carbonfasern entgegen, die Stabilität und Leichtigkeit vereinen. Doch zu einer guten Umweltbilanz von Carbonfasern gehört gelungenes Recycling. Neben Preisrelationen spielen technische Fragen eine Schlüsselrolle für eine größere Markdurchdringung von recycelten Carbonfasern. Eine dieser technischen Fragen hat das Kunststoff-Zentrum (SKZ) nun mit Partnern gelöst.

Das Recycling von Carbonfasern stellt besondere Ansprüche nicht nur an die Verarbeiter von Kunststoffen, sondern auch an den Maschinenbau. Beide Glieder in der Wertschöpfungskette nahm das SKZ in einem Forschungsprojekt zur Nutzung kurzer Carbonfasern im Längenbereich von 0,1 bis 10 mm in den Blick. Diese Fasern sind aufgrund ihrer geringen Dichte zwar einerseits schwer zu verarbeiten, andererseits aber preislich attraktiv und verfügen über interessante Werkstoffeigenschaften. SKZ-Forscher Johannes Rudloff erklärt es so: „Wenn Neuware für 10 Euro/kg erhältlich ist, dann bewegt sich der Preis für Rezyklat-Carbonfaser mit einer Länge von 0,1 mm bis 10 mm bei etwa einem Zehntel dieses Preises.“ Gleichzeitig sei selbst Rezyklat-Carbonfaser dieser Beschaffenheit der Glasfaser als Konkurrenzprodukt immer noch deutlich überlegen

Staubsauger und Sieb sorgen für sichere Verarbeitung

Nicht nur solche Preisrelationen machten das Recycling der kurzen Fasern für  das SKZ-Forscherteam um Johannes Rudloff und Lars Helmlinger mit ihren Kollegen von der Kunststofftechnik der Universität Paderborn (KTP) attraktiv. Ihr Forschungsgegenstand: Der Compoundierextruder. Das ist die Maschine, die aus Rohpolymeren das Kunststoffgranulat als Vorprodukt für konkrete Produkte in der Industrie herstellt. Aufgabe der Forschenden war es, die recycelten Carbonfasern mit ihrer geringen Schüttdichte so in den Extruder mit seinen Schnecken einzubringen, dass das Material möglichst sicher, schonend und verlustarm zur Verarbeitung kommt.  Das ist deshalb so schwierig, weil das Plus der Carbonfasern – ihr geringes Gewicht – in den Maschinen schnell Fluch statt Segen werden kann, wenn sich die Fasern schlecht transportieren lassen.

Forschende unterstützen Maschinenbau und Verarbeiter

Die Lösung der Forschenden: Die Carbonfasern nehmen einen „Seiteneingang“ in den Extruder und werden auf ihrem Weg in die Kunststoff-Mischung von einer Art Staubsauger angezogen. Der Luftstrom sorgt dafür, dass die Fasern von den Schnecken erfasst und sicher eingezogen werden. „Die Carbonfasern geben wir so spät wie möglich in den Extruder, damit die Faser so wenig wie möglich geschädigt wird“, erläutert Rudloff. Mit einem speziellen Filter und einem dahinterliegenden Auffangsieb, das sich die Forschenden patentieren ließen, erreichten sie, dass mehr als 95 Prozent der Fasern tatsächlich im Extruder in die Kunststoffmischung gelangen. Der Rest, vorwiegend Fasern unter 0,1 mm, wird in einem Filterbeutel aufgefangen. Hier soll zukünftig erforscht werden, ob dieser erneut über den „Seiteneingang“ zugeführt oder über alternative Wege verwertet werden kann.

Dass Compoundierextruder Öffnungen für Zusatzstoffe haben, ist nichts Ungewöhnliches, sondern z.B. für Zusatzstoffe und Glasfasern schon Standard. Solche Seiteneingänge ermöglichen ein einfaches Nachrüsten der Ansaug- und Filtertechnologie. Für die Zuführung der recycelten Carbonfasern ist es aber neu. Die innovative Entwicklung für die kurzen Carbonfasern hat sich in der Praxis bewährt, wie eine Demonstrator-Anlage in Würzburg zeigt. Ein begleitend Entwickeltes Simulationsmodel zum Faserbruch unterstützt Firmen zudem bei der Auslegung der Prozesse auf ihren Anlagen.

Gefördert wurde das Projekt vom Bundeswirtschaftsministerium über die AiF im Rahmen der industriellen Gemeinschaftsforschung.

Stand: März 2021