Menschen in der Forschung

Leistungsanalyse von Funkgeräten im Labor. Auch für die drahtlose Kommunikation benötigt man zuweilen Kabel – so wie bei dieser Performanceanalyse, für die Lisa Underberg Kabel befestigt. Bildquelle: ifak

„Für mich war 2020 eigentlich ein recht gutes Jahr“, sagt Lisa Underberg. Was die Wissenschaftlerin vom Institut für Automation und Kommunikation (ifak) aus Magdeburg am Krisenjahr mochte: Lösungen finden für knifflige Fragen. Dabei hat sie einen Startvorteil gegenüber vielen anderen, die sich durchs (erste) Corona-Jahr schlagen mussten: Ihr Spezialgebiet ist die Funkkommunikation. Das Ausweichen auf Online-Formate ist quasi ein Heimspiel für sie. Mit ihrem Knowhow kann Lisa Underberg helfen, wenn das WLAN überlastet ist – jedenfalls im Grundsatz. In der Praxis liegt ihr Fokus woanders: Auf Funklösungen für industrielle Anwendungen. Mit denen beschäftigt sich die junge Forscherin schon seit sie 2008 ihr Studium der Elektrotechnik  an der Technischen Universität Dortmund begann.

„Ich wollte etwas studieren, das mich später nicht einschränkt. Elektrotechnik ist ein so breites Feld, weshalb ich mich dafür entschied. Bald habe ich den Schwerpunkt auf die Informations- und Kommunikationstechnik gelegt und den Master dann ebenfalls darauf fokussiert“, erzählt die junge Frau. Kommunikationstechnik werde in nahezu jeder Branche genutzt und biete daher trotz Spezialisierung viel Freiraum. Seinerzeit hatte das Bundesforschungsministerium (BMBF) gerade die erste Forschungsinitiative zu zuverlässiger drahtloser Kommunikation für die Industrie begonnen.

Lücke schließen

Rund 10 Jahre später ist dieses Ministerium für Lisa Underberg ein wichtiger Fixpunkt. Denn im Industrial Radio Lab Germany (IRLG) arbeitet ihr ifak Team, gefördert vom BMBF, mit Forschungseinrichtungen aus anderen deutschen Regionen an Funklösungen für die Industrie, im engen Austausch mit Unternehmen. „Wir wollen die Lücke zwischen Forschung und konkreten Anwendungen gerade im Mittelstand schließen“, sagt die Forscherin.

Von der Emscher an die Elbe

2020 war erfolgreiches Auftaktjahr für das IRLG - und zugleich Lisa Underbergs erstes volles Jahr am ifak. Vor rund eineinhalb Jahren zog sie von Dortmund an die Elbe. „Ich wollte auch mal raus aus dem Ruhrgebiet.“

Nach den Jahren an der Uni ist die angewandte Forschung am ifak für Lisa Underberg deshalb ein ideales Arbeitsfeld, findet sie. „Ich will etwas bewegen und dafür braucht man Freiraum, den wir am ifak bekommen“, sagt die Wissenschaftlerin. Den nutzt sie.

Mittelständlern erläutern, was Funksysteme können

„Der Wissensbedarf bei Unternehmen, gerade bei Mittelständlern, ist enorm. Viele Unternehmen verspüren Nachholbedarf in Sachen Funklösungen, auch getrieben vom Willen, nicht abgehängt werden zu wollen. „Für uns geht es beim IRLG darum, im Austausch mit den Firmen den Bedarf für Funkkommunikation zu ermitteln. Wir deuten, was die Unternehmen brauchen, müssen ihnen aber nichts verkaufen“, betont Underberg. „5G ist nur eine von vielen Funklösungen, auch da schaffen wir Aufklärung.“ Die Anforderungen sind bei den Unternehmen dabei deutlich vielfältiger als im Verbraucherbereich: Zum Beispiel haben Bewegungsabläufe im Millisekundenbereich für einen Roboter große Bedeutung, eine Präzision, die an anderer Stelle in der Industrie so nicht erforderlich ist. An anderer Stelle in der Industrie, z.B. in der Logistik für den Warentransport, spielen ganz andere Kriterien eine zentrale Rolle.

Keine EinbahnstraßePorträtfoto LisaUnderberg quer ifakMit Blick auf die Elbe: Lisa Underberg im Magdeburger Wissenschaftshafen. Bildquelle: ifak

Wissenstransfer ist für Lisa Underberg daher keine Einbahnstraße. „Ich komme mit einer großen Vielfalt an Unternehmen in Berührung und lerne als Forscherin viel über deren Branchen und Produkte“, freut sich die Forscherin. Zum anderen schätzt sie den Austausch in der angewandten Wissenschaft: „Einige Kollegen haben die Anwendersicht, und ich gucke eher aus der Perspektive des Kommunikationssystems, insbesondere aus der der physikalischen Übertragung und der des Medienzugriffs“, sagt Underberg. Wann ist ein Datenpaket gut angekommen, wo möglicherweise verloren gegangen? Das sind Fragen, die Lisa Underberg beantworten kann.

Mit ihrer Entscheidung für die angewandte Forschung war sie in ihrem Studiengang ein Exot. Die meisten der Studierenden gingen nach der Uni direkt in die Industrie. Dagegen wollte Lisa Underberg weiter forschen. Dass es dann Magdeburg wurde, überraschte so manchen in ihrem Umfeld erstmal. „Scheinbar Unerwartetes hat mich stets gereizt, das war schon bei meiner Entscheidung für industrielle Funksysteme so. Damals habe ich ein Thema gewählt, das die Industrie heute stark beschäftigt. Heute bin ich in der gemeinnützigen, angewandten Forschung und von der wird ja auch noch viel erwartet“, so Lisa Underberg mit einem Augenzwinkern.

Von Dortmund nach Magdeburg. Von Magdeburg in die Welt

Auf nicht ausgetretenen Wegen bewegt sich die Funkexpertin gern nicht nur beruflich, sondern auch in der Freizeit. Am liebsten ist sie im Auto abseits von Städten unterwegs. Doch die geplante Reise durch Zentralasien und Russland musste im letzten Jahr warten. „Bisher habe ich es nur in die andere Richtung, bis in den Harz, geschafft“, sagt sie. Doch Lisa Underberg hat einen langen Atem und lernt gerade Russisch.

International ist ihr Blick auf die Dinge auch beim Thema 5G. So leitet sie die Arbeitsgruppe „Validation und Test“ des internationalen Verbands 5G-ACIA, in dem Player aus Europa, Amerika und Asien gemeinsam daran arbeiten, 5G für industrielle Anwendungen zu gestalten. Davon sollen auch KMU etwas haben. „Wir müssen Unternehmen der Großindustrie nicht erklären, wie man ein 5G-Campusnetz aufbaut und welche Potentiale es bietet. AbeDenkfabrik ifak ifak Beitrag2Die Denkfabrik im Wissenschaftshafen Magdeburg, Heimat des ifak. Bildquelle: ifakr wir können das Wissen aus Kooperationen nutzen, um Mittelständler an Innovationen in der Funktechnologie zu beteiligen“, so Underberg.

Diversität in den Teams

Mittelstand ist für Lisa Underberg Teil von Vielfalt. Die ist ihr insgesamt wichtig im Sinne von Diversität. Auch die Diversität in den Teams am ifak sei für eine gute Zusammenarbeit unter- und miteinander förderlich. Die funktioniere auch unter Corona-Bedingungen.

Als Gewinnerin der Pandemie sieht sie sich trotz ihres mutigen Rückblicks auf 2020 trotzdem nicht. Schon allein, weil sie die Frühstücksrunden am ifak vermisst, in der die Forschenden regelmäßig zusammenkommen, zuletzt im Februar 2020, also vor knapp einem Jahr. Jetzt gilt es, die eigentlich von zwei bis vier Personen genutzten Büros  coronakonform zu besetzen.

Wenn sich die Lage nach Überwinden der Pandemie beruhigt, erwartet Lisa Underberg in der Kommunikation mit Forschungspartnern ein „neues Gleichgewicht“, in dem Online- und Hybridformate ebenso wie persönliche Besuche bei Unternehmen ihren Platz haben. Denn eins hat sie auch gemerkt: Für so manche Frage lässt sich der persönliche Kontakt zu den Unternehmen vor Ort nicht ersetzen, um Vertrauen aufzubauen und Wissen zu transportieren.

Dieser Beitrag erschien  im Januar 2021 zuerst in den ZUSE TRANSFERNEWS 01/2021, dem kostenlosen Newsletter der Zuse-Gemeinschaft.

Autor: Alexander Knebel