Ausrüstung des Adsorbertextils im industriellen Maßstab. Bildquelle: Klaus Opwis/DTNW

In einem durch das Land Nordrhein-Westfalen und die Europäische Union geförderten Vorhaben konnten Partner aus Wissenschaft, Agrarsektor und Industrie die Nutzung von Adsorbertextilien zur Gewinnung von Ammoniak aus Tierställen ausweiten.

Die Dosis macht das Gift. Das gilt für Medizin oder Genussmittel ebenso wie für biologische Prozesse in der Umwelt. Ammoniak – eine Verbindung aus Stickstoff und Wasserstoff, kurz NH3 – kann als Nährstoff ein wichtiger Dünger für Pflanzen sein. In zu großen Mengen ist es aber schädlich. Das gilt auch für Tierställe, wo Ammoniak durch die Ausscheidungen von Schweinen, Rindern und Hühnern entsteht und in sehr hohen Dosen vorkommt.

Um den Nährstoff aus dem Stall gezielt zu nutzen, haben Wissenschaftler des Deutschen Textilforschungszentrum Nord-West (DTNW) eine bislang von ihnen für die Gewinnung von Edelmetallen angewandte Methode erfolgreich in der Landwirtschaft erprobt.

Das erreichten sie mit Adsorbertextilien, an deren Entwicklung das DTNW, ein Mitglied der Zuse-Gemeinschaft, seit vielen Jahren erfolgreich arbeitet. Diese Textilien eignen sich z.B. für die Anreicherung und Rückgewinnung von Palladium aus Prozesswässern in der Industrie und können dort maßgeblich zur Verbesserung von Kreislaufströmen und Nachhaltigkeit beitragen.

Partner aus Wissenschaft, Landwirtschaft und Industrie

In einem durch das Land Nordrhein-Westfalen und die Europäische Union geförderten Vorhaben konnten die Partner aus Wissenschaft, Agrarsektor und Industrie nun die Nutzung solcher Adsorbertextilien zur Gewinnung von Ammoniak aus Tierhaltungsanlagen ausweiten. Zu den Partnern zählen neben dem ideengebenden DTNW der Textilhersteller Kayser Filtertech, die Gesellschaft für Innenraumhygiene mbH, der Leiterplattenhersteller Unimicron Deutschland GmbH sowie der landwirtschaftliche Betrieb Schulze Esking im Münsterland.

Die Forschungspartner fanden heraus, wie sich das farblose und stechend riechende Gas im Tierstall quasi einfangen lässt, um es danach gezielt als mineralischen Dünger nutzen zu können. Dazu wird das neu entwickelte Textil im Stall aufgespannt. Bei der Adsorption nimmt das gasförmige Ammoniak am Textil ein sogenanntes Proton auf. Dadurch wird es in eine salzartige Verbindung überführt und gleichzeitig am Textil festgehalten

Im Laufe des fast abgeschlossenen Projektes wurde zum einen die SaubereLuft 20200528 BeitragPraxisversuch zur kontinuierlichen Adsorption von Ammoniak mit Hilfe von innovativen Adsorbertextilien. Bildquelle: Klaus Opwis, DTNWHerstellung und Ausrüstung des Adsorbertextils im industriellen Maßstab realisiert. Zum anderen erprobten die Partner erfolgreich eine Pilotanlage im Münsterland unter realen Bedingungen in der Schweinemast. „Das Gas konnte im Dauerbetrieb aus der Raumluft des Schweinestalls entfernt und gleichzeitig in einen wertvollen mineralischen Dünger umgewandelt werden, der einfach zu transportieren ist und daher nicht mehr direkt am Entstehungsort ausgebracht werden muss“, erläutert Klaus Opwis, Leiter der Arbeitsgruppe Umwelttechnologie & Katalyse am DTNW.

Weitere Maßstabsvergrößerung geplant

Im nächsten Schritt sollen eine weitere Maßstabvergrößerung sowie eine Automatisierung des Systems für die einfache Umrüstung landwirtschaftlicher Betriebe folgen. Dafür streben die Kooperationspartner eine Zusammenarbeit mit der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen bzw. Institutionen auf Bundesebene an. „Das Projekt verdeutlicht anschaulich, wie Ideen aus gemeinnützigen Forschungseinrichtungen in Zusammenarbeit mit innovativen, risikofreudigen Unternehmen und durch die Förderung aus öffentlicher Hand zu konkreten Erfolgen führen können, die zur Verbesserung von Gesundheits- und Umweltschutz beitragen“, sagt Opwis. Ammoniak ist nicht nur als Nährstoff in zu großen Dosen problematisch. Das Gas trägt auch zur Bildung von langlebigem Feinstaub bei, der zu schweren Atmungserkrankungen führen kann. Nicht zuletzt kann das giftige Gas zudem die Gesundheit von Mensch und Tier in den Tierhaltungsbetrieben beeinträchtigen.

Stand: Oktober 2020

Lesen Sie zu diesem Text ein Statement von Dr. Wiebke Schulze Esking in unseren Stimmen für Forschung, die ankommt.